: „Dienstvergehen“: Richter gegen Raketen
■ 454 RichterInnen mit Raketenblockade sympathisiert
Als Dienstvergehen hat jetzt der Niedersächsische Dienstgerichtshof (DGH) eine Anzeige von 454 Richtern und Staatsanwälten unter der Überschrift „Richter blockierten Atomraketen“ gewertet. Wie das niedersächsische Justizministerium bekanntgab, werde durch den DGH-Beschluß die Meinung von Justizminister Walter Remmers (CDU) bestätigt, der von Anfang an in dem Verhalten der Richter und Staatsanwälte ein mögliches Dienstvergehen gesehen hatte.
In der „Zeit„-Anzeige vom 13. Februar 1987 war den Richtern und Staatsanwälten, die im baden-württembergischen Mutlangen die Zufahrt zu einer Atomraketen-Stellung blockiert hatten, Respekt bekundet worden. Für das DGH liegt ein Dienstvergehen vor, wenn sein Verhalten „in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für das Richteramt oder das Ansehen der Richterschaft bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen“. Diese Voraussetzungen lägen durch die öffentliche Billigung eines rechtswidrigen Verhaltens vor.
Außerdem seien mit dem Begriff des Richters die Grundsätze der Unparteilichkeit, Neutralität und Distanz untrennbar verknüpft. Wenn ein Richter in einer öffentlichen Gemeinschaftsak
tion, in diesem Fall der Mitwirkung an einer Zeitungsanzeige, einem rechtswidrigen Verhalten anderer Richter seine Anerkennung ausspreche, sei dies mit seinen Pflichten nicht zu vereinbaren.
Ins Rollen gekommen war das Verfahren durch einen Bescheid des Präsidenten des Landgerichts in Oldenburg vom 29. Oktober 1987. Er hatte einem Richter darin mitgeteilt, daß dieser sich durch seine Beteiligung an der Anzeigenaktion zwar eines fahrlässig begangenen Dienstvergehens schuldig gemacht habe. Eine Disziplinarmaßnahme erscheine jedoch nicht geboten, das Vorermittlungsverfahren werde deshalb eingestellt. Der betroffene Richter hatte gegen den Bescheid dennoch Beschwerde eingelegt. Diese war vom Präsidenten des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg am 22. März 1988 zurückgewiesen worden.
In erster Instanz hatte das niedersächsische Dienstgericht für Richter beim Landgericht Hannover mit Beschluß vom 11. Januar 1989 beide Bescheide, in denen dem Richter ein Dienstvergehen vorgehalten wird, aufgehoben. Dagegen hatten wiederum der Präsident des OLG Oldenburg Beschwerde eingelegt, die nun Erfolg hatte.
dp
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen