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Die wunderbare Welt von Big Data„Es wird größer als das Internet“

Big Data ist das nächste große Ding. Big Data? Der Fotograf Rick Smolan versucht mit „The Human Face of Big Data“ das abstrakte Konzept verständlich zu machen.

Die derzeit heißeste Geschäftsidee: Big Data. Auch in Bangalore wird daran gearbeitet. Bild: Reuters
Interview von Giuseppe Paletta

taz.de: Herr Smolan, wie definieren Sie Big Data?

Rick Smolan: Ich habe viele Leute gefragt, die mit Big Data gearbeitet haben. Manche haben mir gesagt, das sind so viele Daten, dass sie nicht auf deinen PC passen. Andere sagten, es gehe nicht um die Menge der Daten. Es gehe darum, verschiedene Datensätze von unterschiedlichen Organisationen zu nehmen, diese übereinanderzulegen und nach neuen Mustern zu suchen. Die beste Definition bekam ich aber von meiner Freundin Marissa Mayer, Vorstandvorsitzende von Yahoo: Man müsse sich vorstellen, es gebe die technologische Möglichkeit das Nervensystem unseres Planeten sichtbar zu machen. Das ist Big Data.

Worin besteht Ihr Projekt „The Human Face of Big Data"?

Zum einen in unserem Buch, das am 4. Dezember erscheinen wird. Daran haben rund 100 Fotografen, Journalisten und Illustratoren mitgearbeitet. In elf Essays und rund 150 Fotografien und Illustrationen wollen wir zeigen, in welchen Projekten Big Data im Moment auf der ganzen Welt genutzt wird. Und zum anderen in unserer App zum Projekt, mit der wir Daten von registrierten Nutzern weltweit sammeln.

Was ist der Sinn des Projektes?

Es geht mir darum, einen weltweiten Diskurs über Big Data anzuregen. Big Data fühlt sich im Moment so an, wie sich das Internet im ersten Jahr angefühlt hat: Ich bin der Meinung, dass es einen riesigen und nachhaltigen Effekt auf unser Leben haben wird. Das Problem: Diejenigen, die sich zur Zeit Gedanken über Big Data machen, sind nicht die Verbraucher, sondern Unternehmen und Regierungen. Regierungen mit dem Ziel ihre Bevölkerung besser zu verstehen, Unternehmen mit dem Ziel die Kunden besser zu verstehen.

privat
Im Interview: Rick Smolan

ist 63 Jahre alt und lebt in New York City. In den 80ern hat er als Fotograf für die US-Magazine TIME, LIFE, und National Geographic gearbeitet. Mit seiner Firma Against all Odds arbeitet er seit den 90ern an weltweiten fototechnologischen Projekten. Sein aktuelles Projekt ist „The Human Face of Big Data.

Was mich besorgt ist, dass die Verbraucher sich keine Gedanken über ihre Daten machen, darüber in wessen Besitz sie sind oder wer ein besonderes Interesse daran haben könnte. Wen sich die Verbraucher nicht jetzt in die Big Data Debatte einschalten, dann werden über ihren Kopf hinweg Entscheidungen gefällt.

Können Sie ein Beispiel aus dem Buch nennen?

Ein Unternehmen aus Boston hat eine App entwickelt, die zwei Tage im Voraus Depressionen voraussagen kann. Die Idee dahinter: Die meisten Menschen haben wiederkehrende Verhaltensmuster. Unsere Smartphones können all das speichern: wie viele E-Mails oder Tweets wir senden, wie viel und wohin wir reisen. Offenbar gehen zwei Tage, bevor man Depressionen bekommt, die Anzahl der E-Mails und Tweets zurück, die Zeit die wir zu Hause verbringen nimmt zu, der Reiseumfang geht zurück. Die App bemerkt diese Veränderungen und meldet Alarm. Besonders für Diabetespatienten, die oft auch an Depressionen leiden, kann diese App sehr nützlich sein.

Wozu die App zu dem Projekt „The Human Face of Big Data"?

Es geht uns darum, den Nutzern die Möglichkeit zu geben, mit Big Data in Berührung zu kommen. Unser Ziel ist es nicht, Marketing zu betreiben. Wir fragen in der App z.B., wenn du die Möglichkeit hättest, die DNA deines Kindes zu ändern - dein Kind intelligenter zu machen oder ihm eine längere Lebenserwartung zu ermöglichen - was würdest du wählen? Am Ende kann man die Daten aller App-Nutzer weltweit auswerten und einen Filter drüberlegen. Wir können dann fragen: Wie haben alle deutschen Frauen zwischen 20 und 30 Jahren, die eine strenge Mutter hatten, die mit einem Tier aufgewachsen sind, wie haben sie diese Frage beantwortet?

Wie lösen Sie den Konflikt zwischen Big Data und den persönlichen Daten der einzelnen Individuen?

Wir fragen nicht nach persönlichen Identifikationsdaten wie E-Mail-Adressen oder Namen. Bei unserer App geht es darum, dass jeder ehrlich auf die Fragen antwortet. Die Nutzer bleiben anonym.

Was passiert mit den von der App gesammelten Daten?

Die kompletten Datensätze, die wir durch die App einsammeln, werden am Ende des Projektes von unserem Hauptsponsor EMC Corporation veröffentlicht. Jeder wird diese Daten herunterladen können. Jeder soll die Möglichkeit haben damit zu spielen, die Daten zu erforschen, indem man eben nach dem Prinzip von Big Data verschiedene Filter auf die Datensätze legen kann.

Was ist Ihrer Meinung nach die Motivation eines Softwareunternehmens wie EMC Corporation, das ja primär mit Big Data Geld verdienen möchte, ihr Projekt zu finanzieren?

Die Menschen haben Schwierigkeiten zu verstehen, was Big Data ist. Mein Unternehmen „Against all Odds Productions“ ist darauf spezialisiert, abstrakte Konzepte zu verbildlichen und einfach verständlich zu machen, sodass auch meine 90-jährige Mutter versteht, was Big Data ist. EMC möchte einfach nur dabei helfen, die Debatte um Big Data weltweit anzustoßen.

Wie viel Geld kostet das gesamte Projekt?

Es ist eine Millionensumme, die exakte Zahl kann ich nicht sagen. In den Kosten ist aber zum Beispiel eine TV-Show, die App oder das Buch enthalten. Es ist eine auf mehrere Jahre angelegte, weltweite Marketingkampagne. EMC Corporation hat keinen Einfluss auf die Inhalte. Es geht nicht um ihre Technologie, sondern um Big Data im Allgemeinen, vielleicht auch um die Konkurrenz im Zusammenhang mit Big Data.

Besteht nicht die Gefahr, dass EMC Corporation die Daten der Smartphone-Nutzer am Ende des Projektes für kommerzielle Zwecke missbraucht?

Wir sammeln keine Informationen, wie welches Handy wird am meisten benutzt etc., die für kommerzielle Zwecke genutzt werden könnten. Es geht uns wirklich darum, die Menschen für Big Data zu sensibilisieren und ihnen die Möglichkeiten dieser Technologie aufzuzeigen.

Wo möchten Sie Big Data in fünf oder zehn Jahren sehen?

Genauso wie das Internet in den vergangenen Jahren so selbstverständlich für unser Leben geworden ist, werden wir uns in ein paar Jahren fragen: Wie konnten wir jemals ohne Big Data leben? Ich denke sogar, dass Big Data größer werden wird als das Internet. Das Internet scheint mir nur eine Art Zwischenstufe auf dem Weg zu Big Data zu sein.

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13 Kommentare

 / 
  • RH
    Roland Herzog

    @branko: bitte nicht technologie mit deren industrieller nutzung gleichsetzen. das ganze schöngerede von füller und tinte hat für mich schon fast folkloristische züge und verherrlicht die vergangenheit, in der die menschen noch schön analog über den tisch gezogen wurden.

     

    und, die maschine wird nie denken können, oh branko, die maschine denkt bereits. ein android smartphone besitzt mittlerweile einen prozessor mit einer leistung, die vor ein paar jahren noch high-class bei desktop pcs war. und sensorik von der der mensch nur träumen kann. schreibe dazu den richtigen code und du hast einen roboter. der denken kann. und das ist atemberaubend spannend.

     

    augen verschließen hilft dabei genauso wenig wie marx zur aktuellen wirtschaftlichen situation zu rezitieren. technologie verstehen, aneigenen und hacken statt technologie bloß im binären code konsumieren/boykottieren zu verstehen.

  • F
    Frank

    Als Big Data werden besonders große Datenmengen bezeichnet, die mit Hilfe von Standard-Datenbanken und Daten-Management-Tools nicht oder nur unzureichend verarbeitet werden können. (Wikipedia)

  • A
    Apocolocyntosis

    Wenn mir jetzt jemand noch in verständlichen Worten erläutern könnte, was Big Data ist, verstehe sogar ich es. Dieses verklausulierte Leergeschwafel nervt!

     

    Die Sammlung von riesigen Datenmengen? Was soll daran neu sein?

  • M
    mauersegler

    @Branko:

     

    "Ich sehe mich heute schon wieder mit Füller Papier zu beschreiben und mit Briefmarke zu verschicken, weil Papier nicht abstürzt (...)"

     

    Genau. Donald Knuth schreibt dazu z.B. auf seiner Website "I have been a happy man ever since January 1, 1990, when I no longer had an email address. (...) So if you want to write to me about any topic, please use good ol' snail mail and send a letter to the following address: (...)"

     

    Seine Entwürfe zu TeX wurden mit Füller geschrieben und befinden sich in den Archiven der Stanford-University. Sie werden sehr viele der kommenden "digitalen Revolutionen" überdauern und noch in Jahrhunderten für Studien zur Technikgeschichte des 20. Jahrhunderts zur Verfügung stehen.

  • M
    mauersegler

    Geldmacherei. Alle verdienen prächtig daran: Hardwarehersteller, Softwareindustrie, Consultants, ...

    Firmenchefs, Politikern, Militärs, usw. wird damit suggeriert, sie er- bzw. behielten damit eine wie auch immer geartete Kontrolle über die scheinbar immer unübersichtlicher werdende Welt. Das war, ist und bleibt natürlich ein Riesen-Geschäft denn das Kontrollbedürfnis der Macht ist unersättlich. Aber sie verschluckt sich oder erstickt regelmäßig an ihren Datenbergen, siehe die Stasi von 1989 oder die gesammelten Abhör-Protokolle der NSA vor 9/11. Beides hat am Ende den Mächtigen nichts genutzt, alles lief schief.

     

    Wohin führt diese Daten-Gigantomanie? Was kommt dabei schlussendlich heraus? Ohne fundierte statistische Grundlagen liefert Big Data irgendwas, denn jeder Computer liefert immer irgendwas, er kann ja nicht anders. Vielleicht ist der Trick, nur relativ wenige Daten zu sammeln und überlegt, d.h. mit viel Hirn und wenig Software, auszuwerten. Ich kann mir meine Welt ganz einfach übersichtlicher machen durch - Verzicht!

  • TK
    Torsten Kaiser

    "Das Problem: Diejenigen, die sich zur Zeit Gedanken über Big Data machen, sind nicht die Verbraucher, sondern Unternehmen und Regierungen. Regierungen mit dem Ziel ihre Bevölkerung besser zu verstehen, Unternehmen mit dem Ziel die Kunden besser zu verstehen."

     

    Wie blauäugig muß man eigentlich sein, um hier nicht auf Anhieb den drohenden Überwachungsstaat zu riechen?

     

    Denn auch anonymisiert bietet sich damit jederzeit eine Steilvorlage, drohende Mehrheiten unerwünschter Form bereits im Keim durch gezielte Fehlinformation (aka Zensur) wieder zu zerstreuen.

     

    Und wer garantiert eigentlich, daß die erhobenen Schnüffeldaten wirklich irreversibel anonym bleiben?

  • B
    Biks

    Soll das Foto eine versteckte Kritik enthalten?

     

    Die Minutenzeiger müssten alle auf die gleiche Minute zeigen und ein Unterschied von fünf Stunden zwischen dem veralteten GMT und der mitteleuropäischen Zeit (CET) zeigt deutlich, dass da jemand nicht einmal seine Uhren beherrscht.

  • C
    Chris

    "...Regierungen mit dem Ziel ihre Bevölkerung besser zu verstehen, Unternehmen mit dem Ziel die Kunden besser zu verstehen."

     

    Diese zur Schau gestellte Leichtgläubigkeit und Verharmlosung ist nur schwer zu ertragen. Staatliche Stellen haben ein Interesse an Kontrolle der Bevölkerung, Unternehmen ein Interesse am Zugang zum Privatleben potenzieller Konsumenten - So wird ein Schuh draus. Wenn die Machtfrage aus dem Projekt eliminiert wird, ergibt es überhaupt keinen Sinn mehr.

  • M
    Module

    Wer veralbert wen?

    Der Interviewpartner gibt vor, man müsse nur personenunspezifische Fragen beantworten. angenommen dies stimmte, dann sind die Daten praktisch unbrauchbar, denn es ist nicht zu ermitteln, wie denn die genannten Frauen zwischen 20 und 40 mit ihrer 'strengen Erziehung' empirisch ticken. also muss ein Datensatz auch personenspezifische Aussagen enthalten und je 'engmaschiger' diese sind um so valider aber auch 'rückverfolgbar' ... Mag sein, dass Frau und Herr XYZ nicht exakt zu ermitteln sind, aber die Mär der altruistischen Datensammler braucht er uns nicht zu verkaufen. Wenn er das tatsächlich selber glaubt: "herzliches Beileid" ....

  • B
    Branko

    Das wird lustig werden:

     

    In einer Welt mit exponentiell steigendem Technologisierungsgrad,

    bei rapide verschwindedem Basiswissen der User für die Technologie,

    und immer schneller beschleunigtem Versions-Update-Chaos,

    bei immer schlampiger programmierter Software,

    versuchen Maschinen, die nicht denken können,

    (und auch nie können werden)

    darin tiefere Strukturen zu finden.

     

    Ah, ja.

     

    Dabei besteht die Arbeit am Computer zu einem immer größeren Anteil aus negierender Ausschlußarbeit, indem man immer mehr damit beschäftigt wird, gut gemeinte, aber kontraproduktive Vorschläge des Computers, der vergeblich versucht mitzudenken, zu verneinen und wegzuklicken, was sich zersetzend auf das aktive, kreative und willkürliche Schaffen auswirkt.

     

    Ich bemerke bereits heute schon an mir selbst (und auch bei anderen) das Schwinden der Fähigkeit, direkt, sauber geradeaus schreiben zu können.

    Weil es lohnt sich nicht, sich Mühe zu geben, das Wort richtig zu schreiben.

    Man muss das gesuchte Wort ohnehin so oder so aus einer vorgeschlagenen Auswahlliste raussuchen.

    Es reicht also völlig, irgendwie sowas ähnliches in die Tastatur zu kloppen.

    Und wenn das Korrekturprogramm von Word nen Schreibfehler drin hat, muß irgendwann der Duden angepasst werden.

     

    Ferner wird man in Raster vorgefertigter Auswahllisten gepresst.

    Auf (fast) jeder Internetseite finden sich mitlerweile Umfragen zu irgendeinem Thema, mit vorgefertigten Meinungen,

    bei welchen zwei Buttons grundsätzlich fehlen:

     

    y.) Meine Antwort/Meinung ist nicht dabei

    z.) Das Thema geht mir komplett am Arsch vorbei.

     

    Ich sehe mich heute schon wieder mit Füller Papier zu beschreiben und mit Briefmarke zu verschicken, weil Papier nicht abstürzt, mich nicht ständig mit irgendwelchen Updates, Lizensvereinbarungen und geänderten AGBs nervt, und ich dann nicht mit tonnenweise Werbung für völlig deplatzierten Quatsch zugemüllt werde.

    "User, die auch 'sehr geehrte Damen und Herren' schrieben interessierten sich auch für folgende Pornoseiten..."

     

    Mein nächstes Handy wird nach einem iPhone und einem Blackberry übrigens wieder eins werden, das auf dem technischen Stand von vor zehn Jahren ist.

    (Und wenn ich das aus Afrika reimportieren muss).

     

    Warum?

     

    Weil das ganze neue Zeugs immer weniger funktioniert.

     

    Scheinbar bin ich aber wohl einer von ganz wenigen, denen das auffällt und auch noch stört.

  • K
    KlausH2

    Don't worry - "big data" ist nur genau so eine "Blase" wie andere IT-Begriffe (Cloud, CASE, CIM...).

     

    Big Data ist der Versuch aus der bekannten 80:20 Regel die 20% zusätzliche Erkenntnis "raus zu kitzeln". Völlig überbewertet, Aufwand und Ertrag stehen dann in keinem Verhältnis, aber ein Versuch nach dem Motto "viel hilft viel" ist es der Industrie wert und die IT-Wirtschaft freut sich über einen "neuen" Umsatzbringer. Das war's.

     

    Ich habe z.B. noch keine einzige wirklich "maßgeschneiderte" Werbung oder Information erhalten, für die die 80% nicht völlig ausgereicht haben...

     

    Klaus

  • M
    mörff

    Der Glaube des Interviewpartners an "Big Data" wirkt für mich fast schon religiös...

     

    Aber was kann man dagegen tun? Die Nutzung bestimmter Apps hinterfragen? Generell kein Smartphone Nutzen? Mir fehlt irgendwie der gute Glaube, dass das alles komplett anonym sei.

  • C
    Commentar

    Interessante und ausführliche Äußerungen zu Big Data von Wissenschaftlern in diesem Bereich gibt es hier: http://edge.org/event/special/-computational-social-science