: Die weltweit größte Holding gilt als Jobkiller
■ Die unvergleichliche Maschinerie zur Privatisierung des Ost-Vermögens sieht sich immer größerem Mißtrauen gegenüber: Ihr wird vorgeworfen, nur nach Profit — will heißen: den höchsten Erlösen aus dem Verkauf der Unternehmen — zu streben
Berlin (taz/dpa) — Die Treuhandanstalt, die im Auftrag der Bundesregierung 8.000 ehemalige staatliche Betriebe privatisieren und sanieren soll, ist die weltweit größte Holding. Doch wenn es um ihre Arbeit geht, wird an der Berliner Behörde kaum ein gutes Haar gelassen.
„Einmalig“ und „in der Geschichte ohne Vorbild“ sei die Aufgabe der Treuhand, den „sozialistischen Trümmerhaufen“ in eine funktionierende Marktwirtschaft zu verwandeln, hatte Rohwedder dem Hamburger Magazin 'Der Spiegel‘ noch im März erklärt.
Doch steht die Anstalt seit ihrer Gründung im Juni 1990 im Kreuzfeuer der Kritik und sitzt zwischen allen Stühlen: Unternehmer in Ost und West sowie die Arbeitnehmer sehen sie als Hemmschuh und Jobkiller. „Verkaufsagentur oder Schlachthof“ betitelte IG-Metallchef Franz Steinkühler das Amt am Berliner Alexanderplatz. „Hemmklotz“ für die Wirtschaftsentwicklung oder „unfähige“ Superbehörde lauteten andere Vorwürfe. Die bisher unvergleichliche Maschinerie zur Privatisierung des Ostvermögens sieht sich immer größerem Mißtrauen gegenüber: Ihr wird vorgeworfen, nur nach Profit, will heißen, den höchsten Erlösen aus dem Verkauf der Unternehmen zu streben, anstatt den Belangen der Arbeitnehmer und der Regionen Priorität einzuräumen.
Das Treuhandgesetz vom 17. Juni 1990 sieht die „Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens in der DDR“ vor. Außerdem soll die Wettbwerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen hergestellt werden.
Die Treuhand läßt somit keinen Lebensraum der Ex-DDR unberührt. Sie vermietet Wohnraum, verpachtet Ländereien, verkauft Betriebe, erfüllt Funktionen einer Bank. Da gibt es ausreichened Zündstoff: Die Kommunen und Gemeinden forderten von der Treuhand die Rückübereignung von Gebäuden und Grundstücken. Angesichts der hohen Zahl der Arbeitslosen bei der Übernahme von Unternehmen verlangen die Regierungen in den neuen Bundesländern ein Mitspracherecht.
Seit ihrem Bestehen muß die Treuhand mit Kritik leben. Die Organisation wurde mehrfach verändert, der Vorgänger von Detlev Karsten Rohwedder, der ehemalige Bundesbahn-Chef Reiner Gohlke, gab auf. Die 15 regionalen Niederlassungen wurden ausgebaut, in den Spitzenämtern sitzen weitgehend westdeutsche Manager. Die Berliner Treuhand entscheidet über die Arbeitsplätze von Millionen von Menschen und das Schicksal von Betrieben und Regionen.
Die Kritik blieb nicht unbeachtet. Rohwedder konnte in der letzten Woche verkünden, daß Kommunen und Gemeinden in den fünf neuen Ländern in großem Umfang Grund und Boden erhalten. Komplizierte Regelungen im Einigungsvertrag verhinderten zum Beispiel die rasche Übergabe von Gewerbe- und Wohngrundstücken oder ehemaliger Stasi-Objekte und der rund 700 Häuser des früheren Gewerkschaftsferiendienstes an die Gemeinden. Die Anstalt ist nun verpflichtet, auch mit den Regierungen in den neuen Ländern künftig enger als bisher zusammenzuarbeiten. Der Auftrag der Privatisierung ist jetzt mit einem größeren Spielraum für Sanierungen versehen. Sollte ein sofortiger Verkauf von Unternehmen nicht möglich sein, kann die Treuhand aufgrund tragfähiger Sanierungskonzepte Kredite vergeben, Bürgschaften und Altschulden übernehmen.
Mit dem in Bonn beschlossenen Gemeinschaftswerk „Aufschwung Ost“, bei dem es auch um eine Summe von 100 Milliarden DM geht, wurde der Weg dafür frei, was Rohwedder als „Vorfahrtsregelung“ für Investitionen in den neuen Bundesländern wertete. Die Gemeinden können Gebäude nutzen oder vermieten, Grundstücke auf eigene Rechnung an Investoren veräußern. Mehr Flexibilität bei der Übereignung von Betrieben sowie mehr Rücksichtnahme auf die Interessen der Arbeitnehmer sollten der Treuhand aus dem Stimmungstief heraushelfen.
Bisher sind über 1.000 der rund 40.000 Einzelbetriebe privatisiert. In die Treuhandkassen flossen gut vier Milliarden DM. Laut den Berechnungen wurden rund 300.000 Arbeitsplätze erhalten, die Investitionen durch Übernahme von Unternehmen auf annähernd 50 Milliarden DM geschätzt. Kritik gab es auch an der Ausstattung der Treuhand mit Experten. Vor allem die Industrie, die die Arbeit der Anstalt durchaus positiv beurteilt, vermißt ausreichend Fachkräfte bei der Berliner Behörde.
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