Die taz-Prognose zum nächsten Senat: Die Gesichter von Rot-Rot-Grün
Eigentlich ganz logisch: Diese neun Politiker müssen unter Michael Müller in der nächsten Berliner Regierung Senator werden.
Sie werden noch einige Zeit Kolitionsverhandlungen führen: Acht bis zehn Wochen veranschlagte SPD-Chef Michael Müller vergangenen Dienstag bis zum Amtsantritt des neuen Senats. Nach Akten- und Faktenlage ist aber schon jetzt klar, welche Partei in der mutmaßlichen rot-rot-grünen Landesregierung welches Ressort übernimmt – jedenfalls wenn Logik und bisherige Festlegungen den Ausschlag geben.
Zehn statt derzeit acht Mitglieder neben dem Regierenden Bürgermeister darf der Senat nach einer Verfassungsänderung aus dem Jahr 2014 künftig haben. Setzt man die Wahlergebnisse von SPD, Grünen und Linke zueinander ins Verhältnis, so sind die Sozialdemokraten fast eineinhalbmal so stark wie die beiden anderen Parteien. Sie können also durchaus begründen, nicht nur den Regierungschef, sondern auch mehr Senatoren zu stellen. Da Linke und Grüne bei der Wahl fast gleich abschnitten und deshalb gleich viele Posten bekommen müssen, ergibt sich als einzige Verteilungsmöglichkeit vier für die SPD und je drei für Linke und Grüne.
SPD-Chef Michael Müller hat schon vor der Wahl deutlich gemacht, dass seine Partei auf dem Finanz- und dem Stadtentwicklungsressort, allerdings ohne Verkehr, beharren werde. Das eine braucht Müller, um seine Mischung aus Investieren und Schuldenabbau gegen Grüne und Linke verteidigen zu können. Die Finanzpolitik sei die Grundlage für alles andere, sagte er auch am Donnerstag nach dem Sondierungsgespräch mit den Grünen. Stadtentwicklung ist von jeher sein Kernfeld: Wohnungsbau ist eines der wichtigsten Themen für Rot-Rot-Grün.
Wenn Müller sich durchsetzt, spräche viel dafür, die erst seit Ende 2014 Verantwortlichen im Amt zu lassen: Matthias Kollatz-Ahnen und Andreas Geisel. Kollatz-Ahnen empfiehlt sich, weil seine Arbeit nicht nur über Parteigrenzen hinweg geschätzt wird und weil er für die SPD einen bisherigen CDU-Wahlkreis zurückerobern konnte.
Von den klassischen 1A-Ressorts bleibt somit noch Inneres. Ein Senator aus den Reihen der Linkspartei wäre nicht nur Konservativen, sondern auch Teilen der SPD kaum zu vermitteln. Die Grünen müssten also zum ersten Mal einen Innenminister stellen. Das wäre bundesweit ein Novum.
Wobei der Minister eine Ministerin wäre: Ramona Pop könnte schlecht erklären, warum sie zwar fähig und in der Lage war, die Fraktion zu führen und Spitzenkandidatin zu werden, nicht aber, die Innenverwaltung zu leiten. Noch dazu hat sie kurz vor der Wahl mit dem Innenexperten Benedikt Lux ein Sicherheitspapier vorgestellt, von gutem Kontakt zur Polizei gesprochen und gefordert, den finalen Rettungsschuss wie in anderen Ländern auch in Berlin gesetzlich zu regeln.
Grüne Bildungssenatorin?
Die Linkspartei könnte im Gegenzug das komplette Kompetenzfeld aus Sozialem, Arbeit, Wirtschaft und Integration für sich beanspruchen, damit bei ihrer Anhängerschaft punkten und die Posten, auf zwei Ministerien aufgeteilt, mit den bereits senatserfahrenen Carola Bluhm und Harald Wolf besetzen. Als dritten Posten müsste sie logischerweise Kultur für sich fordern: Dafür kommt vor allem Parteichef Klaus Lederer infrage, ein bekennender Opernfreund. Ein Gastbeitrag Lederers im Tagesspiegel ließ sich zuletzt als Bewerbung für diesen Posten lesen. Lederer könnte zwar als Jurist auch Justiz – doch das Kulturressort bietet mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Schon von 2001 bis 2006 war die Linke dafür verantwortlich, ergänzt durch Wissenschaft, was auch jetzt naheliegt.
In der vergangenen Woche hat SPD-Chef Michael Müller jeweils mit CDU, Linkspartei, Grünen und FDP allein gesprochen. Ab heute wird es ernster: Um 11 Uhr treffen sich SPD, Linkspartei und Grüne zu einer ersten gemeinsamen Sondierungsrunde. Es wird damit gerechnet, dass die Gespräche sich bis in den Nachmittag ziehen; es wird auch damit gerechnet, dass sie letztlich erfolgreich abgeschlossen werden.
Die Grünen wollen unter anderem die Themen Verkehr und Klimaschutz noch einmal ansprechen. Ersteres, um auszuloten, welche Chancen bestehen, den Radverkehr und den öffentlichen Nahverkehr auszubauen und attraktiver zu machen, heißt es aus Parteikreisen. Beim Klimaschutz soll es etwa um den Kohleausstieg gehen.
Besteht allgemeine Einigkeit, dass die Gemeinsamkeiten für Koalitionsverhandlungen ausreichen, müssen größere Parteigremien diesen Schritt noch absegnen. Die Linke würde am Freitag damit beginnen, SPD und Grüne kurz danach nachziehen.
Die Grünen wiederum dürften am meisten auf das seit zwei Jahrzehnten von der SPD verantwortete Bildungsressort zielen. Bettina Jarasch leitete vor ihrer Wahl zu Landeschefin 2011 die entsprechende Grünen-Arbeitsgruppe und war auch im Wahlkampf dafür zuständig. Als drittes Ressort fielen den Grünen mit dem Bereich Verkehr und Umwelt zwei ihrer absoluten Kernthemen zu. Für sie wären Daniel Wesener oder Antje Kapek als weitere Mitglieder des grünen Spitzenteams erste Kandidaten. Wer von den beiden am Ende nicht zum Zug kommt, könnte die Fraktion führen.
Der SPD, die mit Finanzen sowie Stadtentwicklung und Bau die wichtigsten Ressorts hätte, käme erst danach wieder zum Zug: Übrig sind noch Gesundheit plus Verbraucherschutz sowie Justiz. Die wären nach SPD-Quote zwingend mit Frauen zu besetzen. Um weiter jemanden mit Migrationshintergrund in der Landesregierung zu haben, dürfte die bisherige Arbeitssenatorin Dilek Kolat dabei gesetzt sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!