Die neuen SenatorInnen: Wowereits milde Mischung
Der Senat ist komplett: Unbekannte SPD-Familienpolitikerin wird Bildungssenatorin. Parteilose Bildungsexpertin wird für die CDU Wirtschaftssenatorin.
Der Senat für die kommenden fünf Jahre steht fest: eine Migrantin, zwei Parteilose, drei Frauen, fünf in den Vierzigern und acht, die jünger als der Regierende Bürgermeister sind, bilden das Team um Klaus Wowereit.
Der 58-Jährige bleibt auch als Rudelältester ein Mann für die Show. Bis zuletzt hat er das Geheimnis bewahrt, wer einen Posten im Senat bekommt. Tatsächlich hatte er am Montagnachmittag noch eine Überraschung parat. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde hinter verschlossenen Türen in der Fraktion stellte er sein Team den Pressevertretern vor: Ulrich Nußbaum bleibt Finanzsenator, der bisherige Fraktionschef Michael Müller wird Stadtentwicklungssenator. Auch die Berufung von Dilek Kolat, die als erste Migrantin im Senat für die Bereiche Arbeit, Frauen und Integration zuständig sein wird, war kaum noch eine Überraschung.
Ganz anders aber die Dame mit den langen Haaren, die Wowereit zu seiner Linken postiert hatte: Sandra Scheeres wird Bildungs- und Wissenschaftssenatorin. Scheeres hatte niemand auf der Liste. Zum Glück für die Pressevertreter wurde ein Lebenslauf mit den wichtigsten Daten herumgereicht. Allenfalls als mögliche Staatssekretärin war die 41-Jährige zuvor gehandelt worden, die bisher als familienpolitische Sprecherin der Fraktion im Abgeordnetenhaus saß, dort aber wenig aufgefallen war.
Viel zu sagen hatte die Neuen am Montag nicht. Wowereit gestand den Pressevertretern nur zwei Fragen zu. Kolat sagte, dass sie als Erstes die Jobcenter in den Bezirken besuchen werde. Scheeres verkündete, dass sie nicht erst am Samstag zugesagt habe. Dann wurden sie von Wowereit schnell zur Seite geführt.
Die Union der vier
Beim Koalitionspartner CDU stieß die Nominierung von Scheeres auf Unverständnis. Ein zitierbares Statement wollte sich zwar kein Teilnehmer des kleinen Parteitages entlocken lassen, doch das Kopfschütteln der Christdemokraten war unübersehbar. Ansonsten gab sich die Union deutlich weniger geheimnisvoll. Ihr Parteichef Frank Henkel verkündete seine Vorschläge für den Senat nicht erst beim Parteitag am Abend, sondern bereits am frühen Morgen im Inforadio: Mario Czaja, Michael Braun und Sybille von Obernitz. Die parteilose Volkswirtin war seit 2003 Bildungsexpertin des Deutschen Industrie- und Handelskammertages.
Obernitz habe eine beeindrucken Karriere vorzuweisen, begründete Henkel die Berufung. Er selbst wird Innensenator. Alle vier Kandidaten bekamen großen Applaus von der Basis. "Die Mischung stimmt, Ost und West, Mann und Frau, Politiker und Praktiker, Insider und Quereinsteiger", meinte Henkel.
Laut einer am Montag veröffentlichten Umfrage befürwortet die Mehrheit der Berliner inzwischen eine rot-schwarze Koalition. Wer sich erinnere, wie eine solche Koalition noch vor Kurzem gesehen wurde - "auch in der SPD", wie Henkel betonte -, der könne das nur als großen Erfolg verbuchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“