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Die neue Grünenchefin Anna Gallina über Kooperation mit der SPD„Den Koalitionsvertrag nicht neu schreiben“

Hamburgs neue Grünen-Chefin Anna Galina über die Zusammenarbeit mit der SPD, die Profilierung und den Konflikt um das Olympia-Referendum.

Leicht miteinander zu velwechsern: Die alte und die neue Parteichefin der GAL bei der Staffelübergabe. Foto: dpa
Marco Carini
Interview von Marco Carini

taz: Frau Gallina, Sie sind neue Vorsitzende der Hamburger Grünen - aber mit nur 56 Prozent der Stimmen gewählt worden.

Anna Gallina: Ich nehme dieses Ergebnis als Ansporn, um auch diejenigen zu überzeugen, die sich nicht für mich entscheiden konnten. Ich weiß, dass mein Rückhalt in der Partei größer ist, als das Ergebnis ausdrückt. Nach den anstrengenden vergangenen Wochen war der Parteitag schlecht besucht. Zudem vergeben Grüne nicht so gerne Vorschusslorbeeren.

Geht Ihre Parteikarriere auch Ihnen selbst ein bisschen fix?

Ich habe lange überlegt, ob dieser Schritt nicht zu früh kommt. Doch meine fünf Jahre Parteimitgliedschaft habe ich intensiv gelebt. Seit 2011 bin ich Beisitzerin im Landesvorstand - das Gremium ist mir also nicht fremd.

In der Partei gibt es deutliche Kritik am Koalitionsvertrag mit der SPD. Welche Aufgabe hat da die Grünen-Spitze?

Den Koalitionsvertrag können wir nicht neu schreiben, aber wenn es um dessen Umsetzung und die politischen Fragen geht, die neu auftauchen werden, werde ich als grüne Parteichefin gegenüber der SPD immer wieder sehr deutlich die grünen Positionen vertreten und ihre Umsetzung einfordern.

An welchen Punkten wollen Sie das grüne Profil schärfen?

Zum Beispiel in der Bildungspolitik. Die Herausforderung ist, unsere politischen Erfolge auch öffentlich deutlich zu machen. Da gab es bislang viel grüne Zurückhaltung. Das Referendum, dass wir nun im Zuge der Olympia-Diskussion als weiteres Element der direkten Demokratie in der Verfassung verankern konnten, ist unser politischer Erfolg …

Im Interview: Anna Gallina

31, Politikwissenschaftlerin, war an diversen Bürgerbeteiligungsverfahren beteiligt. Die zweifache Mutter arbeitet an der Leuphana Universität in Lüneburg.

… den der Vorstand von „Mehr Demokratie“ als Einschränkung der Volksgesetzgebung bezeichnet.

Die Kritik, wir würden durch die Einführung von Referenden den Abbau der Demokratie betreiben, halte ich für absurd.

Sie wollen das grüne Profil schärfen - auch im Sozialen? Die Kluft zwischen Arm und Reich ist derzeit kein grünes Top-Thema.

Das stimmt so nicht. Wir haben hierzu intensiv gearbeitet und sind im engen Kontakt mit den Sozialverbänden. Aber es ist keine leichte Aufgabe, dieses Schere ein Stück zu schließen. Wir können durch eine bessere Bildungspolitik mehr Chancengleichheit herstellen, aber die Hartz-IV-Gesetzgebung verändern wir auf Landesebene nun mal nicht.

Sie haben den Konflikt um Nebahat Güçlüs Auftritt bei einer nationalistischen türkischen Vereinigung geerbt. Ist die Sache ausgestanden, nachdem Güçlü die Grünen verlassen hat?

Ich sehe diesen Konflikt als abgeschlossen an. Allerdings müssen wir für die Zukunft klären, wie wir im Wahlkampf mit bestimmten Communitys und Organisationen umgehen, deren politische Ziele wir so gar nicht teilen. Da müssen wir ein klares Verfahren entwickeln, damit sich in zukünftigen Wahlkämpfen so etwas nicht wiederholt.

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5 Kommentare

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  • Gähn... Die beiden Mädels auf dem Foto verdeutlichen doch schon auf den ersten Blick, wer die Grünen in Hamburg sind und wer sie wählt. Bildungsyuppies von Yuppieeltern von Beruf irgendwas mit Medien oder wahlweise auch einfach Tochetr/Sohn. Wie wäre es denn mal damit die Urgrüne Position des Naturschutzes zu vertreten? Olympia wird sicher äußerst dienlich sein dieses Ziel zu erreichen. Die grünen sind und bleiben nur eine frischgestrichene FDP.

    • @Spider J.:

      Der Ökokapitalismus ist halt auch nur ein Kapitalismus.

      Urgrün ist vor allem bei Grünen megaout: Am Ende müßte man noch auf etwas verzichten!

  • "Das Referendum, dass wir nun im Zuge der Olympia-Diskussion als weiteres Element der direkten Demokratie in der Verfassung verankern konnten, ist unser politischer Erfolg …"

     

    Ähhhh, nun ja, ob man das als Erfolg ausgeben kann, bezweifele ich mal, denn tatsächlich ist das Referendum doch nur der Angstschweiß der neuen rot-grünen Regierung, dass es ihnen wie der CDU ergeht: Erst die durchgebrannte und überflüssige Elbphilharmonie genehmigen, bauen lassen und anschließend geht alles schief, Wut kommt auf und keiner will es wirklich gewesen sein.

     

    Damit ihnen dies nicht passiert, wollen sie darüber eine Abstimmung machen, die sie sowieso gewinnen werden. Gewinnen werden sie aber nur, weil kein Mensch sicher sagen kann, diese Bewerbung kostet X und Y, die Olympiade kostet X und Y. Das weiß eben niemand, also kann man es irgendwie nicht so recht ablehnen. Außerdem ist es ja toll und ein unhanseatisches Faktum der Eitelkeiten geworden.

     

    Tatsächlich sollte man es ablehnen, denn schon London gab offiziell €11,5 Mrd. (evtl. €13 Mrd) für die Olympiade aus und die war keineswegs nachhaltig.

     

    Bei Hamburg schlägt schon die Bewerbung mit sehr vielen Millionen zu Buche, alleine dies kostet ein paar Parks, Kindergärten und Renoviereungen von öffentlichen Gebäuden.

     

    Ich kann mir nicht helfen, aber mich überzeugen die Nachwuchstalente der Grünen einfach nicht.

     

    Alleine diese obrige Aussage empfinde ich eher als Aussage: Wir sind ein Ortsverein der SPD geworden, leider haben wir aber nicht den üblichen Zugang solcher Vereine zur Macht ...

    • @Andreas_2020:

      Bei S21 konnte man zum Zeitpunkt der Volksabstimmung zumindest sagen, daß das Projekt nicht 4,2 Milliarden, sondern Minimum 6,8 Milliarden kosten würde. Was machte Grün-Rot? Gab eine Broschüre zur VA heraus, in der die vom Bundesrechnungshof vorgelegten realen Kosten nicht als solche dargestellt wurden.

  • 2G
    21405 (Profil gelöscht)

    Spitzenfoto! Trés évident!

     

    Fegebank gratuliert Galina zur Wahl der "Miss Apparatschik" –

    Fusselbartträger lächeln gebremst ihre Zustimmung...

     

    Ach, wer da mitwählen dürfte...