: Die mit dem Ei werfen
■ Rugby: Trotz American-Football-Hype und desolater Finanzlage können sich die BallwerferInnen des FC St. Pauli behaupten / Doch das Zuschauerinteresse ist gering
: Trotz American-Football-Hype und desolater Finanzlage können sich die BallwerferInnen des FC St.Pauli behaupten/ Doch das Zuschauerinteresse ist gering
15000 Menschen jubeln, fressen, saufen und brüllen im Volksparkstadion, wo ausnahmsweise einmal nicht König Fußball regiert, stattdessen im Zuge der zunehmenden Amerikanisierung unserer Gefilde die gut gepolsterten und behelmten Gladiatoren des American Football Einzug gehalten haben.
Szenenwechsel: 50 Menschen auf einem Sportplatz im Stadtpark, allesamt Freunde und Verwandte der Akteure auf dem Spielfeld, feuern ihr Team an, damit die ein Spiel gewinnen, das dem Football sehr ähnelt. Gemeint ist der europäische Traditionssport Rugby.
Rugby führt ein unsägliches Schattendasein in Hamburg. Während die amerikanischen Sportarten boomen, findet dieser Sport, aus dem der Football erst hervorgegangen ist, nahezu unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Dabei ist der Kampf um das Ei weit härter und spieltechnisch durchaus anspruchsvoller, als der inzwischen große Bruder aus der neuen Welt. Da wird sich nicht dick gepolstert und behelmt, nein, der ehrliche Kampf Mann gegen Mann, oder auch Frau gegen Frau, wie beim FC St. Pauli, der das einzige Hamburger Frauenteam unterhält, ist hier angezeigt. Verletzungen sind an der Tagesordnung, weshalb ein Spielerkader von mindestens 22 Akteuren pro Saison erforderlich ist.
Rugby in Hamburg, das ist auch der FC St.Pauli. Ende der vergangenen Saison mußte sich das Team aus der ersten Bundesliga verabschieden, in den Lokalderbies der zweiten Liga Nord bewies der Kiez- Klub aber, daß er noch immer die Hamburger Rugby-Elite stellt. Eines jedoch ist allen fünf Hamburger Rugby-Teams gemein: Sie müssen gigantischen Idealismus aufbringen, um ihrem Lieblingssport fröhnen zu können. Die Rugby-Abteilung des FC St. Pauli hat sich bereits seit geraumer Zeit im finanzieller Hinsicht vom Hauptverein abgespalten, da von dieser Seite ohnehin nichts kam. Und das kann wörtlich genommen werden. Da mußte die erste Mannschaft sogar zwei Jahre auf die Teilnahme am Liga-Pokal verzichten, weil die Reisen nicht zu finanzieren waren. Immerhin war man Titelverteidiger. „Wir würden einen Jahresetat von 25000 Mark benötigen, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Davon sind wir aber weit entfernt“, weiß Peter Voss, erster Vorsitzender der Abteilung Eiertreter und-werfer, zu berichten. Eigeninitiative ist gefragt. Da werden über einen Freund des Vereins Wohnungsentrümpelungen durch die Spieler organisiert, quasi als lukrative Nebenbei-Trainingseinheit, und bei den Spielen Brötchen verkauft, um wenigstens ein paar Mark in die Kasse zu bekommen.
Trotz all dieser widrigen Umstände ist es um den Nachwuchs beim FC recht gut bestellt. Von sechs möglichen hat der Zweitligist immerhin fünf Jugendmannschaften gemeldet, hat damit die zweitgrößte Jugendabteilung Deutschlands. Was noch lange nicht heißt, daß dort mehr Geld zur Verfügung steht. So ist einer der beiden Kleintransporter, der die Kids zu ihren Auswärtsspielen nach Hannover oder Braunschweig transportiert, in die ewigen Auto-Jagdgründe aufgestiegen. Die Anschaffung eines neuen oder gebrauchten Fahrzeugs ist finanziel illusorisch.
In den deutschen Rugby-Hochburgen Heidelberg und Hannover kann man über diese Umstände nur mitleidig lächeln. In Hamburg indes lassen sich die Eierwerfer nicht entmutigen. Sie stehen zu ihrem Sport, den sie mit aller Hingabe betreiben. Und ist der Hamburger Rugby zur Zeit nur zweitklassig: Gefeiert wird dort noch immer bundesligareif. Andreas Hoffmann
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