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Die harte Hand des iranischen StaatesReformbewegung hinter Gittern

Die Proteste in Teheran dauern an, der Staat schlägt hart zurück. Fast die gesamte Führung der Reformbewegung und viele Journalisten sind inzwischen im Gefängnis.

Teheran: Ein verletzter Demonstrant wird auf der Straße von Sympatisanten notdürftig versorgt. Bild: ap

BERLIN taz | Seit Beginn der Massenproteste im Iran wurden zahlreiche prominente Politiker und bekannte Journalisten sowie Rechtsanwälte und Menschenrechtsaktivisten festgenommen. Inzwischen sitzt fast die gesamte Führung der Reformbewegung hinter Schloss und Riegel, allen voran Mohsen Mirdamadi, Generalsekretär der Moscharekat-Partei, der größten Organisation der Reformer. Auch seine Frau, die Mitglied des Parteivorstandes ist, wurde verhaftet. Weitere führende Mitglieder der Partei, wie Said Schariati, Abdollah Ramezanzadeh und Sahra Aghadschari gehören zu den Inhaftierten. Mohammad-Reza Chatami, Bruder des ehemaligen Staatspräsidenten Chatami, der ebenfalls festgenommen worden war, soll inzwischen wieder freigelassen worden sein.

Die zweitgrößte Reformpartei, die Modschahedin der islamischen Revolution, wurde ebenso wenig verschont wie die Partei Kargozaran, die dem ehemaligen Staatspräsidenten Haschemi Rafsandschani nahe steht. Der Prominente Politiker Behzad Nabawi, der zur linken Fraktion im islamischen Lager zählt und mehrmals im Parlament als Kandidat der Modschahedin vertreten war, wurde wie sein Parteifreund Mustafa Tadschzadeh, der eine Zeit lang Vorsitzender des Teheraner Stadtrats war, festgenommen.

Fast die gesamte Führung von Nehzat-e Azadi, der Freiheitspartei des ehemaligen Ministerpräsidenten Mehdi Bazargan, befindet sich inzwischen im Gefängnis. Generalsekretär Ebrahim Yazdi wurde am Sonntag aus gesundheitlichen Gründen ins Krankenhaus gebracht. Er habe keine Ahnung, wofür er verhaftet worden sei, und er habe im Gefängnis nicht erfahren, was die Justiz gegen ihn vorzubringen habe, sagte er. "Sie sind mit mir umgegangen wie die Serben mit Bosniern oder die Israelis mit den Palästinensern", erklärte Yazdi in einem Interview mit der BBC. Außer ihm seien weitere sieben Führungsmitglieder seiner Organisation festgenommen worden, nur einer von ihnen sei wieder frei.

Zu den weiteren prominenten Gefangenen gehören Mohammad Ali Abtahi, ehemals unter Chatami Stellvertreter des Staatspräsidenten, und Said Hadscharian, der zu den Architekten der Sicherheitsorgane der Islamischen Republik gehört und später als kritischer Journalist landesweit berühmt wurde. Seit einem Attentat von Radikalislamisten auf ihn ist Hadscharian körperlich behindert und benutzt einen Rollstuhl.

Gestern wurde bekannt, dass Familienmitglieder von Haschemi Rafsandschani an der Ausreise aus dem Land gehindert und seine Tochter und einige seiner Verwandten verhaftet wurden.

Zu den prominentesten Journalisten, die sich in Haft befinden, gehört Mohammad Ghuchani, Chefredakteur der Tageszeitung Etemad Melli. Die Zeitung wird herausgegeben von Mehdi Karrubi, einem der unterlegenen Kandidaten bei der Präsidentenwahl. Schon in den ersten Tagen nach der Wahl erschien die Zeitung zum Teil mit nur halb bedruckten Seiten, was auf eine starke Zensur deutete.

Insgesamt wird die Zahl der festgenommenen Politiker und Journalisten auf mehrere hundert geschätzt. Offiziell wurde erklärt, dass einige Politiker als Drahtzieher bei den jüngsten Unruhen verhaftet worden seien - genauere Angaben gab es bislang nicht

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3 Kommentare

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  • S
    shabnam

    Das Problem der Iraner ist weder Ahmadinedschad noch Chamenei sondern der Westimperialismus. Ohne den hätten wir eine bessere Welt.

  • S
    SgtAwesome

    "Solange die Iraner Chamenei nicht stürzen, wird es keine Demokratie im Iran geben."

     

    Ich würde noch einen Schritt weiter gehen und sagen die Iraner müssen den Koran überwinden.

    Staat und Religion darf NIEMALS eine Einheit eingehen.

    Denn wenn man jetzt Chamenei stürzt, was passiert dann?

    Richtig, es kommt der nächste Großmufti und die "Sittenpolizei" verfolgt und unterdrückt weiterhin die Menschen.

  • BS
    Berthold Sonnemann

    Das iranische Problem ist nicht Ahmadinedschad, sondern Chamenei.

     

    Einen solchen religionstyrannisch-absolutistischen Alleinherrscher hat es in Europa nicht einmal im Mittelalter gegeben. Die Könige damals regierten erklärtermaßen "von Gottes Gnaden", was vor allem heißen sollte: ohne sich vom Papismus abhängig zu machen, der stets vergeblich die Globalherrschaft beansprucht hat.

     

    Solange die Iraner Chamenei nicht stürzen, wird es keine Demokratie im Iran geben.