Eskalation im Iran - mindestens 10 Tote: Merkel fordert Neuauszählung

Die Opposition ging am Wochenende trotz der Drohungen des Revolutionsführers Chamenei auf die Straße. Zehn Menschen sollen gestorben sein. Merkel fordert Neuauszählung der Wahlen.

Als die Dunkelheit anbrach, riefen Anhänger der Opposition etwa eine Stunde lang von den Dächern im Norden Teherans "Gott ist groß". Bild: dpa

TEHERAN ap/rtr/dpa | Einen Tag nach den Drohungen des iranischen Revolutionsführers Ali Chamenei setzten sich tausende Anhänger der Opposition am Samstag über ein Demonstrationsverbot hinweg. Sie protestierten auf den Straßen Teherans erneut gegen das offizielle Ergebnis der Präsidentschaftswahlen am 12. Juni. Dabei kam es zu den bisher folgenschwersten Auseinandersetzungen, bei denen mindestens 10 Personen getötet und 100 weitere verletzt wurden, wie das staatlichen Fernsehen am Sonntag berichtete. Damit ist die Konfrontation zwischen der Staatsmacht und der Opposition weiter eskaliert.

Press TV, eine englische Ausgabe des iranischen Staatsfernsehns, meldete 13 Tote. Der Grund für die unterschiedlichen Darstellungen war zunächst unklar. Es ist das zweite Mal, dass staatliche iranische Medien von Toten bei Protesten sprechen. Am vergangenen Montag hatten sie sieben Tote bei Zusammenstößen gemeldet. Ein staatlicher Fernsehsender berichtete zudem von einem Selbstmordanschlag am Imam-Chomeini-Mausoleum, bei dem mindestens 8 Menschen getötet und 8 verletzt worden seien.

Augenzeugen berichteten von Tränengaswolken, die vom Revolutionsplatz in Teheran aufstiegen. Die in großer Zahl angerückten Sicherheitskräfte setzten auch Wasserwerfer ein und sollen in die Luft geschossen haben, um die Menge auseinanderzutreiben. Ein weiterer Zeuge erklärte, Anhänger Mussawis hätten in einer Zentrale einer regierungsnahen Gruppe Feuer gelegt. Press TV berichtete von einem Brandanschlag auf eine Moschee und zeigte Bilder von einem brennenden Bus, ohne zu sagen, wo sich der Vorfall ereignet habe. Als die Dunkelheit anbrach, erschallte etwa eine Stunde lang von den Dächern im Norden Teherans der Ruf "Allahu Akbar" (Gott ist groß), ein Vorgehen, das auf den Aufstand gegen den Schah 1979 zurückgeht.

Angesichts der schweren Unruhen im Iran hat die Bundesregierung an die Verantwortlichen in Teheran appelliert, eine weitere Zuspitzung zu verhindern. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verlangte in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung, die abgegebenen Stimmen der Präsidentschaftswahl neu auszuzählen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nannte das gewaltsame Vorgehen gegen Demonstranten "ebenso wenig akzeptabel wie die fortgesetzte Behinderung einer freien Berichterstattung". Das iranische Parlament forderte wegen der kritischen Stimmen eine Überprüfung der Beziehungen zu Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Der Teheraner Parlamentssprecher Ali Laridschani bezeichnete westliche Stellungnahmen als "Schande".

Der unterlegene Kandidat Mir Hossein Mussawi wiederholte seinen Vorwurf des Wahlbetrugs und kündigte einem Verbündeten zufolge an, auch unter Einsatz seines Lebens weiterzukämpfen. Mussawi forderte erneut eine Annullierung der umstrittenen Wahl. Ein Verbündeter berichtete, der ehemalige Ministerpräsident halte an seinem Kampf um die Präsidentschaft fest. Ohne Chamenei namentlich zu nennen, warf Mussawi diesem vor, das politische System des Iran umwälzen zu wollen. Nicht nur solle dem iranischen Volk eine Regierung aufgezwungen werden, darüber hinaus gehe es darum, dem Land ein "neues politisches Leben zu verordnen".

Einem Augenzeugen zufolge rief Mussawi zum Generalstreik auf, sollte er festgenommen werden. Die Regierung hatte Mussawi mit Verhaftung gedroht, sollten am Samstag wieder Demonstrationen stattfinden. Die politischen Protestaktionen sechs iranischer Fußballnationalspieler während des WM-Qualifikationsspiels in Südkorea könnten ein Nachspiel haben. Wie in Teheran bekannt wurde, hat das iranische Parlament vom Fußballverband eine Erklärung der Zwischenfälle am Mittwoch gefordert und mit Sanktionen gedroht. Verbandspräsident Ali Kafaschian sagte, dass der Weltverband Fifa über die Strafe entscheiden müsse. Die Fifa-Regeln verbieten politische Meinungsäußerungen auf dem Platz. Die Fußballer waren in der ersten Halbzeit mit grünen Armbändern auf das Spielfeld gelaufen.

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