Die größte Windmesse zieht nach Hamburg: Vom Winde verweht
Husum ist dem Boom der Branche nicht mehr gewachsen und wird die größte Windmesse der Welt an Hamburg verlieren. Treibende Kraft für den Standortwechsel ist die Industrie.
HAMBURG taz | Die weltgrößte Windmesse Windenergy wird 2014 von Husum nach Hamburg umziehen. Das erfuhr die taz nord aus drei von einander unabhängigen Quellen. Zitierfähige Bestätigungen gibt es zwar nicht, hinter vorgehaltener Hand aber heißt es, es führe kein Weg mehr daran vorbei: "Die Messe kommt nach Hamburg." Der Grund dafür sei, dass die Industrie die Verlagerung wolle. Die nordfriesische Kreisstadt Husum sei für die boomende Branche einfach zu klein geworden: "Wir werden vom Wind des Erfolgs verweht", sagt ein Betroffener.
Seit 1989 hat sich an der Nordsee aus alternativen Anfängen die weltweit bedeutendste Messe der erneuerbaren Energien entwickelt (siehe Kasten). Um die stetig wachsenden Bedürfnisse von Ausstellern und Besuchern zu befriedigen, wurde erst im August vorigen Jahres das neue Nordsee-Congress-Centrum für 15 Millionen Euro gebaut.
Das sei notwendig, sagte zur Eröffnung der damalige Messechef Hanno Fecke, "weil im internationalen Wettbewerb der Standorte ein Kongress in Zelten einfach keine Chance hat". Hat Husum nun dennoch nicht: Die Windenergy im September 2012 wird die letzte sein, die bereits für September 2014 terminierte nächste Messe wird an der Elbe stattfinden.
Für die erste Windmesse in Husum 1989 reichte eine ehemalige Viehauktionshalle aus.
Messehallen: Seit den 1990er Jahren fand sie in sechs kleinen Hallen am Stadtrand statt. Diese wurden im Laufe der Zeit jeweils um mehrere mobile Hallenzelte erweitert.
Messezentrum: Im September 2010 wurde das neue Nordsee-Congress-Centrum (NCC) punktgenau für die Windmesse eröffnet - eine hochmoderne Vielzweckhalle für Theateraufführungen, Konzerte und Kongresse.
Fläche: Damit wurde die Ausstellungsfläche gegenüber dem Jahr 2007 auf gut 48.000 Quadratmeter verdoppelt.
Besucher: Im selben Zeitraum erhöhte sich die Zahl der Besucher von 16.099 auf 35.858.
Aussteller: Die Zahl der Aussteller stieg zeitgleich von 646 auf 972 aus 28 Ländern von allen Kontinenten.
Treibende Kraft für den Standortwechsel ist der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Das Netzwerk von mehr als 3.000 Unternehmen forderte im April - kurz nach dem GAU in Fukushima - bei den Messegesellschaften großer deutscher Städte, darunter Hamburg und Hannover, Konzepte für die Ausrichtung einer Windenergiemesse von globaler Bedeutung ein. Ziel war es, sofort handlungsfähig zu sein, wenn Deutschland tatsächlich aus der Atomkraft aussteigen und sich den erneuerbaren Energien zuwenden sollte. Das geschah im Juni, seit Ende August liegen die Konzepte vor.
Am überzeugendsten sei das der Hamburg Messe und Congress GmbH gewesen, erzählen Eingeweihte. Messe-Sprecher Karsten Broockmann jedoch "will das weder bestätigen noch dementieren". Der Geschäftsführer von VDMA, Thorsten Herdan, erklärte im Gespräch mit der taz nord, sein Verband habe kürzlich "die Entscheidung getroffen, die internationale Leitmesse der Windkraftindustrie weiter zu entwickeln". Einzelheiten wolle er aber erst nächste Woche bekannt geben.
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) deutete am Donnerstag bei der Eröffnung einer EU-Konferenz zur Förderung der Offshore-Windenergie in der Hansestadt erstmals an, mit dem Umzug der Windmesse zu rechnen. "Hamburg kann sich die Hauptstadt der Windenergie in Deutschland nennen" und solle "gemeinsam mit den norddeutschen Ländern zu einem der führenden Standorte dieser Branche weltweit werden". Auch hätten sich in den vergangenen Monaten zahlreiche führende Unternehmen der Windenergiebranche an der Elbe niedergelassen.
Erst vorige Woche hatte Siemens bekannt gegeben, seine Weltwindzentrale an die Elbe zu verlegen und 500 neue Arbeitsplätze zu schaffen. "Als norddeutsche Metropole", so Scholz, "nutzt Hamburg die Chancen der Windkraft."
Die drohende Verlagerung der Windenergy hat derweil zu Verstimmungen zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg geführt. Der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) sieht darin einen "Frontalangriff auf die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern". Der grüne Fraktionschef Robert Habeck erklärte, das sei "ein massiver Angriff auf die Wirtschaftsinteressen Schleswig-Holsteins". Offensichtlich kenne Scholz "zwischen sich und der Sonne keine weitere Ebene".
Senatssprecher Christoph Holstein erklärte, Hamburg habe einen Wechsel nicht betrieben, "wir wehren uns aber auch nicht dagegen". Über einen Standortwechsel "entscheidet nicht die Politik in Kiel oder Hamburg, sondern die Industrie".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos