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Die geheime Liste der SubventionenStaatsknete für die Agrarindustrie

Lange geheim gehalten, jetzt veröffentlicht: die Liste der Empfänger von EU-Exportbeihilfen. Vor allem die Großkonzerne profitieren, die mit Dumpingpreisen auf den Weltmarkt drängen.

Südzucker, Europas größter Zuckerkonzern, erhielt die meisten EU-Gelder. Bild: dpa

BERLIN taz | Jetzt lässt sich mit harten Zahlen belegen, was Kritiker der EU-Agrarpolitik lange vermutet hatten: Die Subventionen für die Exporte landwirtschaftlicher Produkte fließen gar nicht an Bauern, sondern vor allem an Großunternehmen. Das geht aus zwei Listen hervor, die das Hauptzollamt Hamburg-Jonas nach einem jahrelangen Rechtsstreit der Umweltschutzorganisation Greenpeace geschickt hat. Damit sind jetzt die 40 Firmen bekannt, die in Deutschland während der Haushaltsjahre 2004/2005 und 2003/2004 die meisten Subventionen erhalten haben. 35 Namen gab das Amt am Montagnachmittag bekannt, fünf weitere waren schon vorher öffentlich.

Mit Exportbeihilfen bezuschusst die Europäische Union Ausfuhren von Agrarprodukten. So kann zum Beispiel europäisches Milchpulver unter den Herstellungskosten ins Ausland verkauft werden - eine Politik, mit der die EU ihre Bauern unterstützen will, die unter einem enormen Preisverfall leiden. Gegner sprechen von Dumping, das vor allem zu Lasten der Entwicklungsländer gehe. Diese könnten schließlich ihre Bauern nicht subventionieren.

Der größte Empfänger war im Haushaltsjahr 2004/2005 aber kein Landwirt, sondern Europas größter Zuckerhersteller, die Südzucker AG in Mannheim. Das Unternehmen erhielt 82 Millionen Euro. Darauf folgt mit 60,8 Millionen Euro das Hamburger Agrarhandelshaus August Töpfer. Die ehemalige Zuckersparte des dänischen Lebensmittelkonzerns Danisco steht auf dem dritten Platz der Rangliste mit 24,6 Millionen Euro. Ein großer Teil der Subventionen ging auch an Molkereien oder Händler, die Milchpulver ins Ausland verkaufen, etwa den "Milram"-Hersteller Nordmilch. Deutschlands größte Molkerei liegt mit 22 Millionen Euro auf dem vierten Platz. 2003/2004 kassierte das Unternehmen sogar 52 Millionen Euro. Auch sonst finden sich auf den Listen bekannte Namen: Der Süßwarenproduzent August Storck ("Nimm2" oder "Merci") strich 5,6 Millionen ein.

Insgesamt wurden allein über die deutschen Behörden im Haushaltsjahr 2004/2005 rund 435,3 Millionen Euro aus Brüssel gezahlt. Seitdem ist der Betrag kräftig gesunken, auf zuletzt 97,7 Millionen Euro. Doch für dieses Jahr erwarten Experten einen drastischen Anstieg. Der Grund ist, dass die EU auf Betreiben vor allem der deutschen Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) die zwischenzeitlich gestoppten Exportsubventionen für Milchprodukte wieder eingeführt hat.

Für Kritiker wie die sozialdemokratische Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul ist das "ein völlig falsches Signal". "Exportsubventionen zerstören die Märkte in den Entwicklungsländern und gefährden damit die Existenz vieler Kleinbauern", sagte sie am Dienstag der taz. Zugleich stellte sie fest: "Die heimische Landwirtschaft hat von den Subventionen nichts."

Damit liegt Wieczorek-Zeul auf der Linie von Umweltschützern und Nord-Süd-Aktivisten. "Die Zahlen zeigen, dass verarbeitende Industrien den Geldsegen aus Brüssel einstecken, während viele Bauern um ihre Existenz bangen müssen", meint Reinhild Benning, Agrarexpertin des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Ihre Forderung: "Wir brauchen dringend eine Umverteilung."

Nordmilch hat der BUND-Expertin zufolge Subventionen erhalten und beispielsweise im Jahr 2007 rund 120 Arbeitsplätze gestrichen. Das Staatsgeld gehe also an eine Industrie, "die nichts für Umwelt und Verbraucher tut und noch nicht einmal Arbeitsplätze erhält". Die Umweltschützerin hält das Subventionswesen deshalb für einen "Selbstbedienungsladen von Lobbyisten". Greenpeace kritisierte Nordmilch, weil die Molkerei die niedrigsten Preise an die Bauern zahle und dennoch die höchsten Subventionen bekomme.

Peter Bleser, der Agrarsprecher der Unionsfraktion im Bundestag, hingegen kann nichts Schlechtes daran finden, dass die Exportsubventionen nicht an Bauern gehen: "Die Landwirte selbst exportieren ja gar nicht", meint er. Dennoch trügen die Zuschüsse dazu bei, dass europäische Agrarprodukte ins Ausland verkauft werden. "So wird Druck vom Markt genommen, wovon die Bauern profitieren."

Auf die Frage, ob die EU ihre Subventionen für Milchexporte noch ausweiten solle, antwortete er der taz: "Die EU sollte dieses Mittel so viel wie möglich nutzen, um den heimischen Markt zu entlasten." Allerdings dürften die Ausfuhren nicht in "relevanten Mengen" in Entwicklungsländer gehen.

Manche Firma, die Subventionen erhalten hat, definiert den Begriff "Entwicklungsland" auch anders als gemeinhin geläufig, um sich zu verteidigen. "Brasilien ist im Zuckerbereich kein Entwicklungsland", sagt etwa der Pressesprecher von Südzucker, Rainer Düll. "Die haben Hightech und sind größter Exporteur weltweit." Deshalb findet es Düll gerechtfertigt, dass die EU mit subventionierten Zuckerexporten den brasilianischen Bauern Konkurrenz macht.

Auch die von den Aktivisten kritisierte Molkerei Nordmilch sieht kein Problem in den Subventionen, die sie erhalten hat. Firmensprecherin Godja Sönnichsen bestritt zwar nicht, dass das Unternehmen seinen Bauern die niedrigsten Preise zahle. Derzeit bekämen sie 22 Cent pro Kilogramm und liege damit im Schnitt der norddeutschen Molkereien - in dieser Region sind die Preise aber oft am niedrigsten. Für Nachfragen war sie nicht erreichbar. Das Handelshaus Töpfer und andere Firmen auf der Liste wollten auf die Anfrage der taz ebenso wenig antworten wie das Agrarministerium.

Dabei sind die Exportbeihilfen nur ein kleiner Teil der gesamten Subventionen für die Landwirtschaft. Die Empfänger des größten Postens im EU-Subventionshaushalt, die Direktzahlungen an die Betriebe, will die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung am Dienstag veröffentlichen - und die Debatte weiter antreiben.

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11 Kommentare

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  • TD
    Tyler Durden

    Sebastian Lakner

     

    Danke für den grossartigen Tip, die sogeannnten "Grünen" zu wählen... sind das nicht diejenigen, die in Deutschland Krieg wieder salonfähig gemacht haben?

    Und deren Verbraucherschutzministerin es in ihrer Amtszeit zugelassen hat, dass gentechnisch veränderte Produkte UNGEKENNZEICHNET in unseren Supemarkt Regalen stehen dürfen?

     

    Ersparen sie uns die üblichen Ausreden einer Antwort..

  • SL
    Sebastian Lakner

    Wenn man die Kommentare der User zum Taz-Artikel liest, bekommt man den Eindruck, als würden hier nur Jung-Bauernverbandsvertreter kommentieren. Gab es einen Aufruf vom DBV oder meinen "Christoph" und "o aus h" ihre Kommentare wirklich ernst??

     

    Das Thema wurde gut dargestellt: Exporterstattungen sind ein Skandal in vielerlei Hinsicht, denn es geht hier um hungernde Bauern in Westafrika und um die Verschleurderung der Steuern, die wir zahlen. Insofern ein Dankschön an die taz-Redaktion. Wenn man wissen will, ob Exporterstattungen über Marktentlastungseffekte oder direkt an die Landwirte weiter gegeben werden, so muss man schon sehr genau analysieren und ganz sicher ist da in der Agrarökonomie im Moment niemand.

     

    Und nochwas: Wer die Abschaffung der Exporterstattung will, der sollte Bündnis90/Die Grünen wählen, hier treffen Umwelt-, Entwicklungs- und Agrarpolitik nämlich aufeinander. So einfach ist das!

  • R
    Redaktion

    Anmerkung der Redaktion:

    In einer früheren Version dieses Artikels war die Hamburger Firma August Töpfer fälschlicherweise als Tochter des US-Unternehmens Archer Daniels Midland (ADM) bezeichnet worden. Zu ADM gehört dagegen die Hamburger Firma Alfred C. Toepfer International, die ebenfalls auf der Liste der Subventionsempfänger steht. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

  • C
    Christoph

    Vorweg: Ich bin auch nicht für Agrarsubventionen. Aber ich habe selten mal einen so schlecht recherchierten und frei von Sachverstand geschriebenen Artikel geschrieben. Als Beispiel: August Töpfer gehört nicht zu ADM. Aber wichtiger noch: Eine Exporterstattung bekommen die hier genannten Firmen. Doch diese Firmen reichen das natürlich über die Einkaufspreise weiter bzw. diese wären natürlich ohne Erstattung geringer. Doch für das bisschen ökonomischen Sachverstand reicht es schon nicht mehr. Statt mal tiefer in die Analyse zu gehen, warum Subventionen eigentlich schädlich sind und langfristig nicht der Landwirtschaft nutzen, wird hier sehr platt und vereinfachend argumentiert. Das ist einfach nur peinlich.

  • S
    seidelbast

    Zunächst einmal geht unser Dank an Greenpeace, die die Herausgabe dieser analytischen Informationen erstritten haben. Irgendwann wird es hoffentlich vollständige, aktuelle Daten in der Zeitreihe geben - was in einer sog. Demokratie eigentlich längst selbstverständlich sein sollte.

     

    Schon jetzt zeigt sich, dass grosse, konventionelle Lebensmittelverarbeiter und -händler von dem System der Agrarsubventionen profitieren. Nicht landwirtschaftliche Betriebe und nicht der finanzierende Steuerzahler.

    Die Molkereien sind sehr gut positioniert, sie verdienen gleich doppelt: durch niedrigste Milcheinkaufspreise und Exportsubventionen. Wer zwei Hände hat, braucht ja nicht nur mit einer zu kassieren.

    Das Subventionssystem fördert die Überproduktion: was "über" ist, wird exportiert. Es schädigt den landwirtschaftlichen Hersteller, der durch das (geförderte) Überangebot von Ware am Markt immer in der prekären Preissituation gefangen bleibt (Bsp. Kuhmilch).

    Es schädigt den Steuerzahler, der Millionen Euro für Dinge bezahlt, von denen er nichts hat.

    Es schädigt den landwirtschaftlichen Hersteller in der Region, in die exportiert wird, denn dort drückt die subventionierte Ware auf die Marktpreise.

    Es macht Firmen zu Profiteuren, die auf diese Weise risikolose Geschäfte tätigen können. Man hat keinerlei Preis- oder Absatzproblem, die Ware ist ja hochsubventioniert.

    Eine bürgerunfreundlichere Steuergelderverbrennung ist mir (noch) nicht bekannt.

    Ohne Agrarexportsubventionen: keine Überproduktion, marktgerechte Preise für landwirtschaftliche Güter, kein Dumping auf Exportmärkten und nicht zuletzt ein milliardenschwerer, steuerlicher Minderaufwand.

    Nur die paar Zucker-, Milch-, Fleisch-, Weizen-spekulanten und die geschmierten Europaabgeordneten hätten das Nachsehen.

    Gell, Frau Aigner, stopp den Milchexportsubventionen - so geht's fei net !

  • S
    Samsa

    Es gibt doch genug Parteien, die gegen das EU-Subventionssystem sind. Warum wählt die nur keiner ?

     

    ÖDP, Piraten, Linke...einfach mal informieren und entsprechend wählen!

  • OA
    o aus h

    Sorry, aber dieser Artikel ist schlicht irrelevant. Das konnte man sich doch wirklich an den Fingern einer Hand ausrechnen, dass die größten Firmierungen in der Lebensmittelwirtschaft auch die höchsten absoluten Subventionsbeträge erhalten. Natürlich bekommt ein Hof mit - was weiß ich - 100.000 Euro Jahresumsatz nicht auf Subventionsbeträge von mehreren Millionen.

    Interessant wäre ein Vergleich der relativen Zahlen, also wie viel von den Einnahmen macht es bei Nordmilch im Vergleich zum Milchbauern, bei Südzucker im Vergleich zum Rübenbauern aus.

  • L
    Linkshänder

    Ihr seit überrascht?! Dazu dient dieses System der Abzocke.

    @BÄÄÄÄÄrk:

    Schnapp dir 150 Freunde mit der gleichen Gesinnung und tritt in eine Partei ein. Schon hast du Mehrheiten gegen dieses System. Wir müssen aufhören zu jammern, sondern aktiv werden. Wir können es verändern, wenn wir wollen. Aber wer jetzt Angst um seine Zukunft(Hertie, Karstadt etc.)hat, hat wenig Energie sich zu wehren. Unser Anspruchsdenken muß zwingend verbessert werden.

    Nord milch hat in unserer Region Arbeitsplätze vernichte und Zweigstellen aufgelöst. Zum Dank bekommen die dann auch noch EU Hilfen. Grausam, einfach grausam.

  • H
    Heinrich

    Und all das wird 2 Tagen nach der Wahl veröffentlicht???

  • B
    BÄÄÄÄÄRRK!!!

    Irgendwo müssen ja die Teuros für astronomische Gehälter, Bonis , Abfindungen und dergleichen herkommen, welche die Vorstände dieser Firmen für ihre exorbitante LEISTUNG erhalten. Einem einfachen und fleißigen Facharbeiter im Dumpinglohnsektor müssen sich ja die Fußnägel vor Frust aufrollen bei solchen Zahlen, aber die Wählen dann noch solche Parteien wie CDU/CSU/ FDP seit Schröder leider auch SPD/GRÜNE denen wir diese neoliberalen Praktiken zu verdanken haben. Rennen denn hier nur noch Masochisten rum? Ich bin absolut ratlos, denn mit Blick auf Berlin sind die Salonkommunisten, die LINKE, auch nicht besser. Da macht DEMOKRATIE einfach keinen Spaß mehr!

  • TD
    Tyler Durden

    Anscheinend gibt es keine einzige Richtung mehr in die man blicken könnte, ohne überall die gleichen verlogenen, verbrecherischen Abzocker sehen zu müssen...