piwik no script img

Die eine FrageAm lautesten lachte Thomas Strobl

Wer steckt hinter dem perfiden Plan einer schwarz-grünen Bundesregierung?

Peter Unfried ist taz-Chefreporter

Studiendirektor Karl Heusel war richtig angepisst. Er wollte eine Klassenarbeit in Geschichte schreiben. Und seine 11. Klasse weigerte sich und hatte auch noch einen formaljuristisch triftigen Grund, den ihm die Klassensprecherin soeben mitgeteilt hatte. Aber die Heike ignorierte er. „Ich weiß ganz genau, wer dahintersteckt“, schnaubte er und scannte die Reihen, bis er den fand, den er gesucht hatte. Dann zischte er mit Todesverachtung: „Dieser Unfried!“

Und sehen Sie, das ist seltsam: Seit diesem Moment denken die Leute, dass ich „dahinterstecke“. Obwohl ich kein Wort gesagt habe, mich herausgehalten habe, ganz hinten sitze, nicht mal anwesend bin oder sogar das Land verlassen habe.

Das fängt in der Familie an. Wenn die Kinder keine Lust haben, dass ihre Freunde vorbeikommen, dann wird denen der Eindruck vermittelt: Unfried will das nicht. Und wenn die mir von einem Kreuzberger Standesbeamten angetraute Macht keinen Bock auf eine Verabredung hat, dann kommt bei unseren Freunden an: Also, sie würde ja liebend gern. Aber ihr kennt doch Unfried! Verwandtengeburtstag, Jogawochenende? Leider mit Unfried nicht zu machen. Ich bin immer supernett – und die denken: Ha, das Schwein. Baldowert sicher gerade wieder was aus.

Auch was den Beruf angeht, passiert es mir immer wieder, dass ich fröhlich einen Raum betrete – und dann an ein paar grimmigen Gesichtern sehe, dass ich schon wieder hinter einer catilinarischen Verschwörung stecke. Ich versuche dann behutsam herauszufinden, hinter was genau. Es versteht sich von selbst, dass ich auch bei ­jeder Flughafenkontrolle rausgezogen werde und noch nie ohne mehrstündige Befra­gungen in die USA eingereist bin.

Und dann gibt es in der Öffentlichkeit sogar Leute, die mich als zentralen Kopf eines monströsen Schurkenplans ausgemacht haben, der die Partei Die Grünen aus den falschen Gründen in die Bundesregierung bringen soll. Und zwar mittels einer Kolumne namens „Die eine Frage“. Das werden vermutlich einige zum jetzigen Zeitpunkt grundsätzlich für unwahrscheinlich halten, aber man sieht daran, dass man mir wirklich alles zutraut.

Wie ich lese, plane ich außerdem einen sozialökologischen Umsturz, also eine „kapitalistische Regulationsphase, die sich vor allem auf erneuerbare Energie und neue Technologien stützt“. Schlimm. Und als ob das nicht schon genug wäre: Wer steckt hinter dem perfiden Plan, eine schwarz-grüne Bundesregierung zu installieren? Sie ahnen es.

Ich hatte mal das Vergnügen, bei einer „Pizza Connection“ genannten Runde dabei zu sein, bei der Politiker der Grünen und der Union am gleichen Tisch essen und sich dabei zivilisiert unterhalten. War 2014 oder so. Dabei ging es auch um Schwarz-Grün, und weil die Leute so nett waren, machte ich einen kleinen Scherz und sagte: „Wenn ich überhaupt hinter irgendetwas stecke, dann ist das Grün-Schwarz.“ Da lachten alle am Tisch sehr herzlich. Am lautesten lachte damals Thomas Strobl von der CDU. Das ist der heutige Vize des baden-­württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann.

Daran denke ich gern zurück: Endlich mal Leute, die mir unvoreingenommen begegneten. Und nicht immer gleich denken, Unfried plant sicher gerade einen Angriffskrieg. Oder Schlimmeres. Ich wünschte, es gäbe mehr davon. Und mein zweiter Wunsch wäre es, mich mit meinem Lehrer Heusel aussprechen zu können und ihn zu fragen, wie er denn damals nur darauf kommen konnte, dass Unfried dahintersteckte. Lieber Karl Heusel, ich weiß, es ist zu spät, aber ich will es Ihnen trotzdem sagen: Sie hatten recht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen