piwik no script img

Die drei Fragezeichen„Der Glaube an Elfen wärmt“

Foto: An Paenhuysen

BUH! In Island ist bei Straßenarbeiten versehentlich ein Elfenfels zugeschüttet worden. Kurz darauf war die Straße überflutet, ein Bauarbeiter hat sich verletzt, mehrere Maschinen funktionierten nicht mehr, ein Journalist fiel beim Besuch der Baustelle in eine Matschgrube. Das isländischen Straßenbauamt vermutet dahinter die Rache der Elfen und ordnete an, dass der Felsen wieder freigelegt und geputzt wird

taz: Spinnen die Isländer?

Wolfgang Müller: Warum? Ich glaube nicht, dass die Isländer spiritueller oder irrer sind als andere, ich halte sie manchmal sogar für realistischer. Sie akzeptieren, dass es Dinge gibt, die man nicht erklären, vorhersagen oder kontrollieren kann. Wenn in Deutschland Bauarbeiten unterbrochen werden müssen, werden dafür immer gern technisch-rationale Gründe angegeben, auch wenn die gar nicht beweisbar sind.

Aber der aktuelle Fall wirkt auf mich recht leicht erklärbar: Die Straße kann vom Regen überflutet sein, der verletzte Bauarbeiter und der Journalist waren einfach tollpatschig.

Die Elfen sind ja bloß Metaphern für Naturgewalten und -kräfte und Unvorhergesehenes. Das muss man gar nicht so mystisch aufladen, man könnte auch einfach sagen: Es gab starken Regen, dahinter stecken wohl die Elfen. Das gibt den Isländern eine gewisse Gelassenheit. Es macht sie aber nicht etwa zu religiös-heidnischen Fanatikern. Ich finde die Idee sehr poetisch, dass man unvorhergesehene und unerklärliche Dinge mit der Elfenmetapher erklärt. Das zeugt von Offenheit.

Nun wird der Felsen wieder freigelegt und geputzt. Wird das die Elfen besänftigen?

Dahinter steckt natürlich sicher auch Marketing. Elfen sind ja ein wichtiger Tourismusfaktor in Island. Erfunden oder gefunden wurden sie in vorchristlichen Zeiten und stehen eigentlich für eine Utopie. Island war nämlich mal eines der ärmsten Länder Europas, es war oft kalt und dunkel, die Menschen waren hungrig. Damals war die Vorstellung, dass es eine Elfenwelt gibt, eine sehr wärmende und erhellende, ein Science-Fiction. Das hat sich bis heute gehalten und verkauft sich eben aktuell in einer Zeit mit abgeschaffter Utopie sehr gut.

Interview Anne Fromm

Wolfgang Müller ist Journalist und Autor. Er hat in Island gelebt und mehrere Bücher über Elfen geschrieben. Von ihm erschien „Die Elfe im Schlafsack“ (Verbrecher Verlag) und 2013 „Subkultur Westberlin 1979–1989.Freizeit“ (philo Fine arts)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen