■ Die deutsche Industrie und ihr Dreiliterauto: Kleinkram
Na endlich: Nach 44 Jahren würgt die Autoindustrie unter Ächzen und Beifall neben ihren üblichen Karossen ein Dreiliterauto in die Massenproduktion. Unglücklicherweise es so teuer, daß selbst die so oder so nicht gerade zahlreichen umweltbewußten Käufer abgeschreckt werden. Allen anderen – die sich weniger für Ökologie und Spritverbrauch interessieren als für Airbag, PS und Klimaanlage – bietet die Autoindustrie weiterhin „zeitgemäß sparsame“ Wagen – mit einem Durchschnittsverbrauch von acht Litern.
Worum geht es eigentlich? Um weltweit 600 Millionen Fahrzeuge, die größtenteils in den Industrieländern gefahren werden. Bis 2030 werden es laut dem Heidelberger „Umwelt- und Prognoseinsitut“ über eine Milliarde Fahrzeuge weltweit sein – die Klimakiller Nummer eins, die allein in Deutschland für ein Fünftel des gesamten Kohlendioxidausstosses verantwortlich sind. Es geht um einen Ressourcenfresser – weltweit schlucken Kraftfahrzeuge 60 Prozent des Erdöls. Autos bestehen außerdem nicht aus Luft, sondern aus Stahl, Plastik, Aluminium, Gummi – es geht also um Erzabbau in ökologisch sensiblen Gebieten, um Chemie, Energieverbrauch. Es geht um Sommersmog, Verkehrstote, Lärmbelästigung, Flächenfraß für Straßen und Parkplätze. Kein Klimaziel ist mit dem Dreiliterauto zu erfüllen, wenn die dadurch erreichten Einsparungen sofort durch Zuwächse bei anderen Modellen aufgefressen werden.
Angesichts dessen ist dieser Beitrag der Industrie zur Lösung anstehender Umweltprobleme Kleinkram. Aber immerhin: Ein erster Schritt ist getan, natürlich ist es sinnvoll, sparsamere Autos zu bauen. Notwendig wäre aber ein kreatives, umfassendes Umdenken in der Industrie, wie das Bedürfnis nach Mobilität – für Personen oder Güter – erfüllt werden kann und nicht nur die Erweiterung der Produktpalette um ein einsames Dreiliterauto. Notwendig wären aber auch entsprechende Anreize aus der Politik.
Doch die setzt auch unter Rot-Grün, wie gehabt, eifrig auf den Ausbau des Straßennetzes, verweigert sich einer Schwerverkehrsabgabe, wirksamen Benzinpreiserhöhungen und fährt selbst zum Vorbild aller Autofahrer die schweren Karossen – abgesehen von ein paar Radfahrern, die sich das nach dem Umzug von Bonn ins größere Berlin auch noch einmal überlegen werden. Ein Vorschlag: Wie wäre es, wenn der Wagenpark der Regierung auf das Dreiliterauto umgestellt würde? Maike Rademaker
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen