Die Zukunft des BER: Mal sehen, ob's am Ende reicht
Die ursprünglichen Wachstumsprognosen für den Großflughafen sind passé. Damit wird auch unklarer, wann der BER einmal auskömmlich wirtschaften kann.
M an stelle sich einfach mal vor, die Gesellschafterinnen des BER – also die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund – hätten Anfang der 2000er Jahre beschlossen, die Terminalbauten des künftigen Single Airport nicht zum architektonischen Prestigeprojekt zu machen, sondern rein funktionale Hallen ohne Schickschnack vor den Toren Berlins aufzustellen. Der Flughafen wäre nicht nur pünktlich fertig geworden, sondern längst eine brummende Gelddruckmaschine. Auch ohne viel Glas, Granit und komplizierte Haustechnik würden die Menschen in Scharen landen und abheben, und die Gewinne sprudelten in die öffentlichen Haushalte.
So war es nicht, und so wäre es wohl auch nie gekommen, aber ein kleines, frivoles Gedankenspiel ist ja erlaubt. Stattdessen sieht es heute so aus: Obwohl die Einnahmen im Betrieb die Ausgaben für diesen Betrieb klar übersteigen – im „operativen Geschäft“ also durchaus Gewinn gemacht wird in Schönefeld –, ist das Konzernergebnis der Flughafengesellschaft FBB negativ und wird es auch noch jahrelang sein. Dass dieses Minus 2022 trotz einer Sondertilgung der Milliardenkredite deutlich geringer ausfiel als in den Vorjahren, liegt in erster Linie am Verkauf mehrerer Grundstücke, einer einmaligen Notmaßnahme.
Verschärft hat das Ganze natürlich die Corona-Pandemie, die den Flugverkehr wie keine andere Branche beutelte. Zwei Jahre lang schrumpfte das Passagieraufkommen auf ein Viertel zusammen, im vergangenen Jahr lag es gerade mal wieder bei der Hälfte des Niveaus von 2019, als fast 36 Millionen Menschen Berlin über seine Flughäfen erreichten oder verließen. Wie FBB-Chefin Aletta von Massenbach am vergangenen Dienstag bei der Jahresbilanz für 2022 bekräftigte, rechnet das Unternehmen im laufenden Jahr mit 23 Millionen Fluggästen.
Allerdings hätte Covid-19 die FBB ohne ihren schweren Kreditrucksack viel weniger in Bedrängnis gebracht – was das positive operative Ergebnis zeigt. Der Flughafen ist ein lokales Monopol, und mit geringeren Finanzierungskosten lässt sich auch bei halbiertem Umsatz noch Geld erwirtschaften. So wie die Dinge jetzt liegen, wird die Flughafengesellschaft bis 2026 ganze 2,4 Milliarden Steuergeld in Form öffentlicher Zuschüsse verbraten haben, ab dann soll sich die Alimentierung durch die beiden Länder und den Bund angeblich erübrigen.
Ob das klappt, bleibt abzuwarten. Die Corona-Delle in der Passagierbilanz ist tief, und wie von Massenbach am Dienstag auch bestätigte, wird der Flughafen wohl nie mehr die noch vor wenigen Jahren skizzierte Wachstumskurve einholen. Erst 2029 sollen die 36 Millionen Passagiere von 2019 wieder erreicht werden. Sollen, wohlgemerkt.
Black Box Flugverkehr
Denn in Wirklichkeit ist die Zukunft des Flugverkehrs mittlerweile eine ziemliche Black Box. Einerseits kann es so wie jetzt auf keinen Fall weitergehen, wenn die deutschen und internationalen Klimaziele auch nur annähernd erreicht werden sollen, andererseits sind emissionsfreie Antriebe oder die Erzeugung von ausreichenden Mengen E-Kerosin nicht in Sicht. Und obwohl die „Flugscham“ schon vor der Pandemie in aller Munde war, sich aber nie in den Zahlen abbildete – über den Umweg der multiplen Krisen und das allgemein zögerlichere Konsumverhalten ist es mit dem völlig gedankenlosen Airport-Hopping wohl wirklich (bald) vorbei.
Sollte es dann für die FBB doch nicht zur Entschuldung aus eigener Kraft reichen, wird am Ende halt irgendwie aus den öffentlichen Kassen weitergezahlt. Selbst wenn die Jüngeren irgendwann nicht mehr Begriffe wie „Chaos“ oder „Pleite“ mit dem Wort „BER“ assoziieren, sondern einfach nur einen leicht in die Jahre gekommenen Flughafen mit sehr großen Fensterscheiben.
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