■ Mit den Plänen der IG Farben auf du und du: Die Zombie-Aktie
Freiburg (taz) – Die „IG Farben AG in Abwicklung“ ist nicht totzukriegen. Erst wenn alle Prozesse beendet sind, soll der juristische Kadaver des einst weltgrößten Chemiekonzerns aufgelöst werden. Zwar erlitten die Liquidatoren Joachim Bartels und Günter Vollmann letzten Donnerstag vor dem Bundesverfassungsgericht eine klare Niederlage (taz vom 6. 9. 1996), doch haben sie und damit auch der neue Großaktionär, der Kölner Immobilienunternehmer Günter Minniger, immer noch mehrere Eisen im Feuer.
Am Donnerstag hatte Karlsruhe entschieden, daß die von der IG Farben beanspruchten Grundstücke in Sachsen-Anhalt verloren sind. Das Verwaltungsgericht Halle, dessen Urteil in Karlsruhe als „vertretbar“ bestätigt wurde, hatte den Ausschluß von der Rückerstattung damit begründet, daß die Enteignungen der östlichen IG-Farben-Besitztümer im Tabuzeitraum zwischen 1945 und 1949 stattgefunden hatten und damit eine gesetzliche Enteignung des NS-nahen Chemie-Trusts laut Kontrollratsgesetz Nr. 9 darstellt.
Im Handelsblatt war sofort spekuliert worden, daß andere Verwaltungsgerichte das Kontrollratsgesetz ja anders auslegen könnten. Diese Hoffnung hat Liquidator Joachim Bartels nicht mehr. Denn die übrigen mit der Sache befaßten ostdeutschen Verwaltungsgerichte hatten sich erst gar nicht auf das umstrittene Gesetz der Allierten bezogen und waren dennoch zum Schluß gekommen: Keine Rückgabe an die IG Farben.
Die Hoffnungen der Liquidatoren ruhen nun auf „einer Reihe von Grundstücken“ in Ostberlin. Diese waren erst kurz nach Gründung der DDR enteignet worden, standen aber schon vorher auf der sogenannten „Liste 3“ des damaligen Magistrats. Das Bundesverwaltungsgericht hat 1995 den Ausschluß der Rückgabe bestätigt, doch auch hiergegen wurden Verfassungsbeschwerden eingelegt – unter anderem von der IG Farben.
Sollten auch diese Grundstücke verloren sein, hofft die IG Farben immer noch auf Entschädigung in Geld. Zwar sind nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz von 1994 Kapitalgesellschaften von solchen Zahlungen ausgenommen. Erneut setzt die IG Farben jedoch auf den Erfolg von Verfassungsbeschwerden.
Und selbst wenn auch hier nur juristische Niederlagen kassiert würden, an endgültige Liquidation des Aktien-Zombies ist nicht gedacht: „Es gibt ja auch Prozesse, die gegen uns laufen“, stellt Joachim Bartels klar. Bartels erinnert an den Streit um Bodenverunreinigungen auf ehemaligen IG-Farben- Grundstücken in Rheinfelden. Christian Rath
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