Die Wochenvorschau für Berlin: Es ist an der Zeit, sie umzustellen
Am Dienstag jährt sich der „Tag von Potsdam“, eine Ausstellung im Kunstgewerbemuseum im Kulturforum liefert Blicke in die Zeit des Eisernen Vorhangs.
Es ist eine Woche, in der wieder mal alles ganz schnell gehen muss. Erst hat man da endlich den Frühling im Kalender entdeckt, und dann darf man wenige Tage später bereits schon der Sommerzeit frönen.
Aber genau so ist es halt festgeschrieben. Heute am Montag ist kalendarischer Frühlingsanfang, am Sonntag ist Beginn der Sommerzeit (die Uhr wird eine Stunde vorgestellt, es wird uns leihweise eine Stunde in der Nacht gemopst). Und zwischen diesen beiden Eckpunkten Historisches.
Der Nationalsozialismus. Am Dienstag jährt sich der „Tag von Potsdam“ mit seinem berühmten Handschlag zwischen Adolf Hitler und dem damaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg vor der Garnisonkirche zum 90. Mal. Der 21. März 1933.
Ein Beispiel auch der nationalsozialistischen Schaupolitik, mit der sich die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht so sicher im Sattel sitzenden Nazis in einer präzise durchchoreografierten Inszenierung – Fahnen, Uniformen, Aufmärsche, der Diener Hitlers vor Hindenburg – der Zustimmung des alten Preußentums versicherten.
Technische Reproduzierbarkeit
Dass der Faschismus „auf eine Ästhetisierung des politischen Lebens“ hinausläuft, hat ja bereits früh Walter Benjamin in seinem Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ festgehalten. Dass das aber schön anzuschauen sei, wollte Benjamin damit bestimmt nicht sagen.
Aber es geht eben darum, genau hinzuschauen bei Gestaltungsfragen. Eine Ausstellung im Kunstgewerbemuseum im Kulturforum liefert dabei einen Blick in die Zeit des Eisernen Vorhangs. Gezeigt werden soll – eingepackt in dem schicken Schlagwort „Retrotopia“ – das „Design for Socialist Spaces“. Untersucht wird also die Rolle von Design in den Ländern des ehemaligen Ostblocks, und interessant bei der am Freitagabend eröffnenden Schau ist schon auch der Blick in die beeindruckend umfängliche Liste der beteiligten Design-Institutionen aus der Slowakei, Polen, Ungarn, Ukraine, Estland und so weiter.
Was heißt, dass der Ostblock und damit auch die Sowjetunion hier mal von den Rändern her betrachtet wird und nicht von der zentralen Macht aus. Russland nämlich, das früher gern salopp gleich als Synonym für die Sowjetunion genommen wurde. Dieses Russland aber ist bei dieser Ausstellung komischerweise und gleichzeitig – aus der gegenwärtigen Situation mit einem Putin, der alte Grenzverläufe wieder herbeibomben will – verständlich gar nicht dabei.
Endlich aber: das postfossile Zeitalter. Um das es doch wohl auch gehen wird am Samstag bei der großen Konzertdemo um 14 Uhr am Brandenburger Tor, zu der die Berliner Kulturszene ruft. Nora Tschirner, Element of Crime, Kat Frankie, Igor Levit und viele andere mehr wollen dabei auf die Dringlichkeit der Klimakrise aufmerksam machen. Und das tun sie natürlich mit Blick auf den Volksentscheid Berlin 2030 Klimaneutral, über den am Sonntag in den Berliner Wahllokalen abgestimmt wird.
Es wäre jetzt schon blöd, wenn das mit der Wahl nur deswegen nicht klappt, weil man vergessen hat, die Zeit umzustellen.
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