Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Sigmar Gabriel sollte in türkischen Fußballarenen auftreten und der Staat pflegt öffentliche Naturschutzgebiete für Profite.
H err Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Trump heuert und feuert wie ein absolutistischer Tyrann.
Und was wird besser in dieser?Trump vollstreckt flexible Personalpolitik wie ein moderner Unternehmer.
Das Auswärtige Amt weist darauf hin, dass es für deutsche Urlauber in der Türkei gefährlich werden könnte, weil man gerne mal willkürlich verhaftet wird. War das nicht ohnehin schon jedem bekannt?
Griechenland soll ja ein ordentlich geführtes Touristenparadies sein, hört man. Die Türkei wird Ausfälle von Hermes-Bürgschaften und Investitionszulagen eher langfristig spüren. Kurzfristig ist der Tourismus bereits eingebrochen. Mittelfristig wird die deutsche Wirtschaft abkotzen über Sanktionen, die Profite kosten und keine Wirkung zeigen. Das kann man sich am Beispiel der „Krim-Sanktionen“ gegen Russland angucken. Also: Gestenpolitik, die ganz hilfreich sein mag, eine Position bekannt zu machen. Mehr nicht. Klügere Provokation: Sigmar Gabriel kündigt Wahlkampfreden in türkischen Fußballarenen zu Türkdeutschen dort an.
Der Diesel wird irgendwie nicht von selbst sauberer. Nun muss nachgerüstet werden, sonst müssen die Autos 2018 stillgelegt werden, droht EU-Industriekommissarin Elżbieta Bieńkowska. Warum tut sie der guten deutschen Autoindustrie so etwas an?
Erdoğan möchte ja auch, dass „Terroristen“ wie neuerdings auch Daimler „an die Türkei ausgeliefert werden“. Der grundsympathische Verbraucherschutzdiktator. Hey, wenn wir alle Diesel-Pkw von den Straßen gescheucht haben, können wir dann mal über die Lkw diskutieren? Verkehrsinfarkt, horrende Instandhaltungskosten bis hin zur Habgierfantasie, die Autobahnen zu privatisieren, Umweltbelastung: Gut, dass wir mal nicht drüber geredet haben. Die Pkw zu verprügeln und das stets unsolidarische Deutschland zu meinen ist dagegen ziemlich naheliegend.
Apropos Autoindustrie: Daimler, VW, Porsche, Audi und BMW sollen sich abgesprochen und so womöglich den Wettbewerb unterlaufen haben. Das klärt Verkehrsminister Dobrindt (CSU) bestimmt restlos auf, oder?
Schreiben Sie Dachdeckerarbeiten an Ihrer Datsche aus. Von zehn angefragten Handwerksbetrieben geben fünf ein Angebot ab. Dreie mit Mondpreisen, zwei mit knapper Kalkulation. Die machen es am Ende unter sich aus. Kartell? Egal! Es funktioniert wie ein Kartell, das genügt. Weiß jeder, klappt immer.
So auch im Großen: Die Unternehmen definieren Produkteigenschaften, bei denen sie sich von Wettbewerb wenig Vorteile versprechen. Ist dem Kunden doch wumpe, wie groß der Harnstofftank sein mag oder bei Tempo wieviel man ein Cabriodach noch zubekommt. Und so bieten sie dann allesamt dieselben begrenzten Leistungen an. Da der Staat zuschaut, handelt es sich um öffentliche Naturschutzgebiete für Profite.
Allerdings ist nicht jeder Dachdecker so schön blöd wie etwa BMW, in dessen Unterlagen ausdrücklich von einem „Commitment der deutschen Automobilhersteller auf Vorstandsebene“ die Schreibe sein soll. Kurzfristig wird die Kundschaft geleimt. Mittelfristig verlieren Autos aus Dobrindts behütender Werkstatt Deutschland an Konkurrenzfähigkeit. Langfristig: hehe. Es wird die Debatte um den Zusammenschluss der deutschen Automarken forcieren. Wenn alles ein Konzern ist, sind Absprachen legal.
Der Nutella-Konflikt integriert Rassismus in den Lebensmittelmarkt. Manche Produkte seien im Osten Europas teurer und von geringerer Qualität, sagen Vertreter der Visegrád-Staaten. Welche Qualitätsansprüche stellen Sie an Fischstäbchen?
Wie kommt der gemeine Pole auf die Idee, ein „Bahlsen Butterkeks“ enthalte Butter – statt Palmöl, wie im Osten verabreicht? Was erfrecht sich der Slowene, in „IGLO Fischstäbchen“ merkwürgige 65 % Fischfleisch zu fordern wie im Westen? Eine „EU-Bürgerinitiative“, wie sie nun angekündigt wurde, deutet auf eine sehr fällige gesellschaftliche Option: War die Macht des Proletariats früher die Arbeitskraft, ist es heute die Kaufkraft. Zeit für eine – europäische – Verbrauchergewerkschaft. Alle Stäbchen stehen still, wenn den Stinkfisch keiner will.
Kate und William waren zum ersten Mal gemeinsam in Deutschland. Der RBB übertrug im Livestream. Haben Sie’s geguckt?
Später einmal wird man verstehen, dass der Brexit nur vom Königshaus ablenken sollte.
Und was machen die Borussen?
Die Marketingabteilung spammt Berliner Briefkästen mit Werbung zu: fürs neue „Heimtrikot“. Klingt nach Zweitwohnsitzsteuer fürs Olympiastadion.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin