Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
AfD-Ballerina Frauke Petry befindet sich im Dilemma, Europa ist der neue Wilde Westen und junge Deutsche sind spießige Nichtraucher.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Satiriker bringen die Bundesregierung für die Meinungsfreiheit in Stellung.
Und was wird besser in dieser?
Bundesregierung findet Satiriker, der das Gegenteil hinbekommt.
Die Panama Papers: aufregender Finanzskandal oder reine Selbstbeweihräucherung von Journalisten?
Eine besonders heikle Frage – vor allem für die AfD! Was tun mit einem leckeren Skandälchen, das dummerweise von der hergelaufenen Lügenpresse enthüllt wurde? Brillante Lösung: „Millionen einfacher Sparer“ müssten sich, so AfD-Ballerina Petry, „nach Alternativen umsehen“, weil sie „kein Vertrauen mehr in die Stabilität ihrer Währung haben“.
Womit im Nebel kunstvoller Rhetorik verweht, ob es sich nun um Millionen einfacher Sparer oder einfaches Sparen von Millionären handelt. Und die Lügenpresse mal wieder eine „Phantomdebatte“ losgetreten habe. Dies vorausgeschickt begrüße ich die Selbstfeierlichkeit der beteiligten Medien. Die weitaus gewichtigeren Enthüllungen über Starbucks, Amazon und viele ganz legale Steuerbetrüger haben zuvor halt weniger Welle gemacht.
Per Referendum haben die Niederlande das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine abgelehnt. Woraufhin die grüne Europaparlamentarierin Rebecca Harms Volksabstimmungen zu EU-Themen kritisierte, weil sie „die EU in ihrem Bestand gefährden“ könnten. Recht so?
Vor drei Jahren wollte Russland die Ukraine in eine Zollunion zerren, hingegen die EU ihr das Assoziierungsabkommen überwerfen. Janukowitsch kapitulierte vor den rivalisierenden Freiern, und der Rest war Bürgerkrieg. Heute regiert Panama-Investor Poroschenko, und die Kernfrage ist noch stets ungelöst. Da mutet es nicht unweise an, terug naar het beginning, zu gehen. Ob das politische Vernunft weniger Volksabstimmer in den Niederlanden war – oder reine Tagesstimmung: dahingestellt. Denn die Regierung kann sich darüber hinwegsetzen. Grünes Engagement gegen mehr Volksabstimmungen ist ungefähr so originell wie eine Koalition mit der CDU.
Kanzlerin Merkel kapitulierte vor ein paar Jahren vor einer niederländischen Volksabstimmung gegen den damals vorliegenden Verfassungsentwurf. Seitdem begnügt man sich mit einem nicht verfassten Staat Europa, wir sind der neue Wilde Westen, gesetzlos und immer nach dem Recht des Stärkeren. Wie Europa ohne demokratische Legitimation aussieht, kann man derzeit jeden Tag in der Zeitung lesen.
Nach Schließung der Balkanroute ist die Zahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge deutlich gesunken. Bravo, Merkel?
Genialisch ist, für „freundliches Gesicht“ und „offene Arme“ gefeiert und für Abschottung und offene Armee gewählt zu werden.
21 Menschen sind bei der Loveparade 2010 ums Leben gekommen, mehr als 500 wurden verletzt. Das Landgericht Duisburg hat den Prozess gegen die Veranstalter wegen eines angeblich unprofessionellen und fehlerhaften Gutachtens abgelehnt. Ist da nicht was faul?
Nee, fleißig: Die Staatsanwaltschaft wollte nachweisen, dass sechs Mitarbeiter der Stadt und vier des Veranstalters falsch geplant hätten. Das dauerte einen Wald Papier und vier Jahre. Das Gericht beschloss, es könne auch umgekehrt daran gelegen haben, dass diese Planungen – etwa durch den Polizeieinsatz – mangelhaft umgesetzt wurden. Den entscheidenden Wunsch der Hinterbliebenen, dass öffentlich untersucht und am Ende Schuld gesühnt wird, kann man nicht bedienen, indem man irgendwen aburteilt.
Die jüngste Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigt, dass weniger junge Deutsche rauchen als je zuvor. Ist das die spießigste oder die vernünftigste Generation überhaupt?
Es war noch nie so unspießig zu rauchen. Langsam wird es verlockend.
Helene Fischer hat bei den Echos abgeräumt. Verspüren Sie manchmal Fremdscham für deutsche Musik?
Zunächst begrüße ich die gelungene Integration der Russlanddeutschen Jelena Petrowna, deren Tonträger an Tankstellen zusammen mit dem Duftbäumchen „frisch gewaschenes Nichts“ verkauft werden. Es imponiert, wie ungeheuer viel man können und leisten muss, um so dermaßen niemanden zu stören, dass einen jeder lieb hat.
Und was machen die Borussen?
Der Schalker Titan Ernst Kuzorra fuhr nach dem Training mit ÖPNV nach Dortmund rüber, um den unterklassigen BVB zu trainieren. Gerade zum berüchtigten Derby sollte man das nie vergessen. Also wie wertvoll der ÖPNV ist.
FRAGEN: MLA, MLK
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen