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Die WocheWie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Gas, Merkel, Bätzing. Alles schlimm, aber kein Grund zur Sorge: Die Prognosen für 2010 werden wieder besser!

Interview von

Bild: taz
Im Interview: 

FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Beleidigte-Laberwurst-Umzug der Nazis in Passau.

Was wird in dieser besser?

"Der Glaser wirft die Scheiben ein und brüllt: Da müssen neue rein" - NPD macht sich selbst bei ihrer Zielgruppe lächerlich.

Und was wird besser 2009?

Die Prognosen für 2010.

Kanzlerin Angela Merkel tröstet uns in ihrer Neujahrsansprache, wir hätten schon ganz anderes geschafft als die Krise. Aber was denn bloß? Und was sind das wohl für Stärken und Kräfte, auf die wir uns nun besinnen sollen?

Na ja, wir haben zum Beispiel vier Jahre Merkel überlebt. Die deutsche Einheit war eine finanzielle Belastung, erzeugte damit allerdings auch Sonderkonjunkturen, während ringsum die Volkswirtschaften abrauchten in den 90ern. Thatcherismus und Reagonomics zuvor hat der westdeutsche Sozialstaat abgemildert, so wie die DDR Versorgungskrisen des Ostblocks einen Hauch musterschülerhafter überstand. Also: Eine Präzedenz für eine überstandene Weltwirtschaftskrise kann ich nicht erkennen, es sei denn, Merkel meint die allerdings unaussprechliche deutsche Tugend, aus jedem Elend ein Geschäft zumachen. So ist es für die aufstrebenden asiatischen Wirtschaften wohl einen Hauch zu früh, unseren Rang als Waffenlieferant von Weltgeltung anzugreifen. Und das Zeug läuft ja gerade in Krisen gut.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil hat Horst Seehofer mit Linksparteichef Oskar Lafontaine verglichen. Ehrenrührig?

Nein, Lafontaine und Seehofer wissen beide, dass dies die Rache der zweiten Reihe an den Rampensäuen ist. "Flucht vor der Verantwortung" mag aus Heils Sicht ein Makel sein. Umgekehrt gibt es auch Leute, die ungefragt ständig in die Verantwortung drängen, Waidmanns Heil, eigene Socke waidgerecht erlegt. Dass die ReStPD tönt, CSU und Linke habe charismatische Egomanen zu bieten, ist eher ein glattes Geständnis, erstens. Und zweitens nunmehr komplett behämmert, nachdem ausgerechnet Seehofer die Union vor zwanghafter Festlegung auf die FDP warnt.

Das Privatfernsehen wird 25. Ein Grund zum Feiern oder Weinen?

Von "Schreinemakers" bis zu den Telenovelas und Court-Shows können wir ja kompromisshalber das Weinen feiern. Die Hoffnung Kohls und Schwarz-Schillings, nach mehreren gescheiterten Versuchen ("Adenauer-Fernsehen ZDF") ein strukturell politisch konservatives Fernsehen zu erfinden, ging fehl: Privatfernsehen ist strukturell apolitisch und darin, das beklagen gerade die Konservativen heute: antipolitisch. Kohl wars egal, er hatte Kirchs Business besorgt. Schwarz-Schilling äußerte sich verbittert. Und alle CDU-MPs verteidigen heute "ihre" Öffentlich-Rechtlichen, weil sie sonst nirgends mehr interviewt würden. Gemessen an seinen politischen Vätern ist das deutsche Privatfernsehen also ein Erfolg, den so keiner gewollt hat.

Und wie sieht es mit 50 Jahre Revolution auf Kuba aus? So ganz ohne Fidel?

Ich vermag das kaum von einer dynastischen Monarchie zu unterscheiden, wobei viele Monarchen schlechtere Bilanzen hatten.

Zerrissene Stasi-Akten sollen, statt wie bisher per Hand, mit Hilfe eines Computers bis 2010 wieder zusammengebastelt werden. Sollte man das Ganze nicht lieber einfach wegwerfen?

Volksabstimmung in den fünf Ost-Bundesländern. Wir Wessis können das weder verstehen noch tragen wir die Konsequenzen. Das Menschenrechtsgetose mancher Besserwessis ist ebenso unerträglich wie das Weiterwerkeln mancher Stasi-Täter mit westlicher Genehmigung. Es wäre ein Akt demokratischen Anstandes, die Ost-Länder nähmen sich des Themas endlich an.

Die Bundes-Drogenbeauftragte Sabine Bätzing will die Alkoholgrenze im Straßenverkehr auf 0,3 Promille senken. Bringt das was?

Ja, es macht Bätzings SPD noch ein bisschen unbeliebter, als die Union gehofft hätte. Genialer Vorstoß.

Die Ukraine streitet mit Russland ums Gas. Müssen wir uns wieder Sorgen machen?

"Grün" ist, auch wenns inzwischen langweilt, ein deutscher Standortvorteil. Also muss es uns besorgen, dass irgendwelche Gas-und-Öl-Streitereien irgendwo auf der Welt für uns immer noch existenziell interessant sind, ja.

Franz Beckenbauer hält die Hoffenheimer für "größenwahnsinnig". Eifersucht?

Neid. Das Konzept des reinen Wirtschaftsunternehmens Fußball-Club meinten die Bayern unsentimentaler als jeder andere zu betreiben. Jetzt kommt einer daher, der so offensiv auf "Fans" und "Tradition" scheißt, wie es Hoeness & Co bisher noch schamhaft und kostentreibend verbrämten. Da soll man sich nicht ärgern!

Und was machen eigentlich die Borussen?

Seit Samstag täglich zweimal Training. Die werden Polarmeister, hier isses doch arschkalt. Aber dann Marbella ab nächste Woche. FRAGEN: DAZ, FRA

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1 Kommentar

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  • CS
    Christian Schwarz-Schilling

    Sehr geehrter Herr Küppersbusch,

     

    mit Interesse habe ich Ihren Artikel vom 05.01.09 in der taz gelesen. Mir war nur nicht ganz klar, wo Sie die Äußerung her hatten, dass ich über die Medienentwicklung „verbittert“ sei. Ich habe zwar einen erbitterten Kampf geführt, um das Monopol der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu brechen und ein duales System einzuführen und sicher haben sich nicht alle Hoffnungen, die man daran geknüpft hat, erfüllt; aber ich muss sagen, dass ich heute keine andere Entscheidung getroffen hätte als damals, obwohl ich damals im Kreise deutscher Intellektueller sozusagen als Totengräber des Abendlandes beschimpft worden bin. Insbesondere die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben sich zu Beginn dieses Paradigmenwechsels außerordentlich unfair verhalten. Aber „verbittert“? Ich sende Ihnen anbei meinen Beitrag aus dem Buch „50 Jahre TV in Deutschland“, welches von dem Chefredakteur des ZDF, Reinhard Appel, herausgegeben worden ist („50 Jahre TV in Deutschland – Sternstunden des Fernsehens - Derby Verlag - 2002)“. Dort können Sie meine Einstellungen zum Privatfernsehen in allen Einzelheiten nachlesen.

     

    Im Übrigen bin ich, wie ich es schon damals geschrieben habe, der Meinung, dass im Vergleich mit anderen Ländern die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem dualen System eines der besten Fernsehsysteme der Welt hat und es kaum so viele interessante Sendungen, die über den Tag hinausweisen, gibt, wie in Deutschland. Dass daran gerade die öffentlich-rechtlichen Anstalten, die ihre polemische und parteiischen Positionen im politischen Tageskampf weitgehend aufge-geben haben und sich der in den 70er Jahren spöttisch belächelten „Ausgewogenheit“ wieder zugewandt haben, möchte ich ausdrücklich betonen. Warum sollte ich das heute nicht bekennen? Es ist ja eine Folge des dualen Systems! Deswegen sehe ich eigentlich keine Bitternis in der medienpolitischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland!

     

    Mit freundlichen Grüßen

    Christian Schwarz-Schilling