Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Terrorismus, der seine Gegner zu Terroristen macht, und Präsident Wulff mit Arsch in der Hose. Die Woche mit Friedrich Küppersbusch.
Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Kein Mangel mehr an Verschwörungstheorien.
Was wird besser in dieser?
Guttenberg, Tsunami, Fukushima, Westerwelle, Gaddhafi, bin Laden: Ich vermute mal, die Werbepreise bei Nachrichtensendern steigen dieses Jahr solide.
Osama bin Laden ist tot. Wird das Auswirkung auf den islamistischen Terrorismus haben?
Es gibt auch in den USA seriöse Stimmen, die Bin Ladens Tod als nichtislamistischen Terror ("assassination") bewerten. Immerhin: Nach der Nummer müssen die Amerikaner ihre Strategie in Frage stellen, mit "den pakistanischen Verbündeten gegen die Taliban vorzugehen". Und mal überlegen, ob es Sinn machen könnte, Gesprächsangebote der Taliban anzunehmen, um den Druck auf Pakistans Geheimdienst zu erhöhen. Pakistan bedroht Indien nuklear und kolonialisiert Afghanistan. Der "islamistische Terror" könnte auch nur ein nützlicher Idiot sein.
Rettet Obama mit der gezielten Tötungsaktion, einer von George W. Bush begonnenen Mission, sein angekratztes Image?
Solange wir schmerzfrei und mit Stauffenberg selbst von der "geplanten Ermordung Hitlers" reden, sehe ich keinen Anlass, Obamas Tat zu so ner Art Sterbehilfe im Auslandseinsatz hübschzuparfümieren. Der Friedensnobelpreisträger nimmt nicht weniger als einen Mord auf sein Gewissen, und ich muss auch zugeben: Die gleiche Nummer gegen Hitler und ich hätte versucht, persönlich zu gratulieren. Der Vergleich hinkt wie Goebbels - und von den Nürnberger bis hin zu den aktuellen Den Haager Prozessen sind die angemesseneren Mittel mehr als klar. Obama kann nun sein Wahlversprechen einlösen, die Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Daran würde ich ihn messen.
Auch Angela Merkel freute sich öffentlich über Bin Ladens Tod. Archaisch?
Bei Merkels Freude vermag ich nicht zu entscheiden, ob es ein Lapsus war oder ein kalkulierter Gruß an die USA und den Dumpfbürger daheim. Dumm reden und keine Jungs nach Libyen schicken: soll mir recht sein. Ein Geheimnis des Terrorismus scheint, dass er seine Gegner zu Terroristen macht. Die Bilder weniger jubelnder Bin-Laden-Fans in arabischen Ländern nach 9/11 wurden skandaliert, nun wissen wir, dass wir nicht besser sind.
FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
Bundespräsident Wulff hat einen Besuch im Thyssen-Krupp-Werk in Rio de Janeiro abgesagt, weil der Konzern massive Stellenkürzungen angekündigt hat. Lahme Symbolpolitik?
Thyssen-Krupp hat die Vernichtung von 35.000 Jobs Stunden vor Wulffs Besuchstermin bekannt gegeben. Das Stahlwerk ist in Brasilien umstritten wegen heftiger Umweltverstöße und in Deutschland als Jobkiller. Sie wollten den Bundespräsidenten reinlegen und er hats gemerkt. Sie haben gezockt, dass er keinen Affront riskiert, und er hatte Arsch im präsidialen Beinkleid. Vielleicht hat er aus dem unangemessenen Urlaub bei Drückerkolonnen-Chef Maschmeyer gelernt. Ich kann mich an keine vergleichbare Aktion eines Vorgängers erinnern und bitte, mich eher über Thyssen-Krupp ärgern zu dürfen.
Der 1. Mai in Berlin und Hamburg war ruhiger als in den Jahren zuvor. Haben bürgerliche Protestbewegungen wie S21 den linken den Rang abgelaufen?
Na ja, auf Porschefahrer, die aus Anlass ihrer Bekümmerung über die Zustände in Deutschland ihre Autos zertrümmern, müssen wir weiter warten. Schade eigentlich. Vielleicht bietet unsere unübertreffliche Autoindustrie bald ein "Sondermodell Wutbürger" an, das - ähnlich fabrikseitig vorgeschredderten Jeans - predamaged daherkommt. Hier entstehen Arbeitsplätze für Punks.
Mit dem neuen Sender ZDF.Kultur soll Pop Einzug ins Öffentlich-Rechtliche halten. Wird das funktionierien?
Sarah Kuttner bei 3sat, Stuckrad-Barre bei ZDFneo, Bauerfeind bei ZDFKultur - hier greift die Einsicht, dass langfristig jeder talentierte Künstler einen eigenen Sender haben sollte. Dass es das im Internet kostenfrei schon gibt, könnte ein schönes Berichtsthema für ZDF.Kultur sein.
Zwei Frauen in Spitzenpositionen, Ursula von der Leyen und Kristina Schröder, streiten seit Monaten über die Frauenquote. Was sagt das über Emanzipation in der CDU?
Meine Firma hat jetzt eine Geschäftsführerin! Wir wollen trotzdem nicht in die CDU.
Und was machen die Borussen?
Die Abgabe der "Meister 2011"-T-Shirts ist auf zwei pro Kunde kontingentiert, vor allen Fan-Shops bildeten sich Schlangen. Am Borsigplatz selbst sind gerade mal die Bordsteine gegelbt; man sieht mehr Jungs in Galatasary-Trikots als BVB-Fans. Stadt und Verein haben sich verändert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt