Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Hollande als Steinmeierbrück, die Ukraine als peinlicher Freund und ein Verteidigungsexperte an der Spitze der Piraten.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Die Wahl eines Beamten des Verteidigungsministeriums zum Parteichef hat Charme.
Was wird in dieser besser?
Umbenennung in Pirouettenpartei.
Die Kanzlerin mischt sich erneut in den französischen Wahlkampf ein, während sich die Union streitet – ist Deutschland zu klein für Merkel?
François Hollande – der beste Steinmeierbrück, den Gabriel je gekraftwowereitet … Wieso redet Merkel plötzlich von Wachstum, das der Staat zu fördern habe ? Der aussichtsreiche Sozialist wettert gegen Europa als deutschen Spar- und Geizverein, und Merkel zeigt mehr Wirkung als nach vielen SPD-Reden. Umgekehrt verschwört sich die Union mit Abstiegskandidat Sarkozy darauf, mal eben das Erbe de Gaulles und Adenauers zu verjuxen für einen Wahlkapfgag: Grenzen zu, Europa doof. Ein herbes Kompliment für die deutschen Oppositionsfürsten: der französische Präsidentschaftswahlkampf verlangt Merkel mehr ab als die Debattchen bei uns.
ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
Timoschenko im Hungerstreik, Gauck sagt Ukraine-Reise ab – muss und kann der DFB angesichts der baldigen EM auf den Konflikt einwirken?
Polen ist um seinen peinlichen neuen Freund nicht zu beneiden. Der DFB hat auch den vollklimatisierten Unsinn „WM 2022 in Katar“ abgenickt, und natürlich wäre es nicht schicklich, wie zuvor in Südafrika mal wieder durchblicken zu lassen, dass die Deutschen jederzeit straff organisiert einspringen könnten. Wobei ein gemeinsames Fußballfest Polens und Deutschlands eine sehr gute Idee gewesen – wäre. Kanzlerin Merkel will maximal Sportminister Friedrich in die Ukraine fahren lassen, das ist schon ein Zeichen. Doch wie halten wir es selbst mit dem Schlagercontest in Baku? Letzte freie Wahl dort war 1992, Reporter ohne Grenzen listet es auf Platz 152 weltweit in Pressefreiheit. Der EU-Beauftragte für politische Gefangene durfte bisher nicht einreisen. Vielleicht kann man ihn als ARD-Schlagertitan verkleiden, dann darf er wenigstens mal rein. Wer jedenfalls den DFB für die EM in der Ukraine beanspruchen möchte, kann schon mal die Jubelberichte zum Songcontest in Aserbaidschan streichen.
Die CSU will die Herdprämie nur Eltern mit Arbeit geben, Hartz-IV-Empfängern soll sie vom Regelsatz abgezogen werden – wird das Betreuungsgeld für die CSU das, was Steuersenkungen für die FDP waren?
Nee, das Thema ist fast eine Zweitstimmenkampagne der CSU für die FDP: Rösler verweist auf die Kasse, Leutheusser auf die Verfassung und alle zusammen schimmern plötzlich so sozialliberal wie in Kubickis geheimsten Träumen. Die CSU mobilisiert wenige eigene und viele Fans des politischen Gegners. Nerdprämie.
Was bringt Sabine Leutheusser-Schnarrenbergers Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung, wenn EU und Union sie ohnehin schon beschlossen haben?
Die deutschen Behörden haben just eindrucksvoll vorgeführt, wie sie mit Unmengen von Daten, Abhörprotokollen und V-Leuten einer Nazimordserie über ein Jahrzehnt zuguckten – wohlmeinend betrachtet: ahnungslos. Die Justizministerin führt an, dass die EU jene Richtlinie gerade überprüft und man die immer noch umsetzen könne, wenn es dabei bleibe. Hier rächt sich, dass es keine europäische Verfassung gibt, und solange das so ist, hält sich legitime Politik an die deutsche. Und die sagt laut Verfassungsgerichtsurteil: Njet.
Erstmals seit Monaten überwinden die Liberalen in einer Umfrage in Nordrhein-Westfalen die Fünfprozenthürde. Ein Versehen?
Lindner setzt wenige klare Themen: Schulden, Schulen, Wirtschaft. Kraft und Röttgen hingegen plakatieren einen Kinderliebhabe-Fotowettbewerb und erhaben sinnfreie Claims: Im Vorbeifahren liest man „Klare Kante Kraft“ oder „Klare Brühe Knorr“ oder „N orbert R öttgen W ählen“ oder „N icht R ichtig W issen“ oder auch egal. Für die FPD sind die Umfragen ein Durchbruch; wer bisher seine FDP-Stimme nicht wegschmeißen wollte, fasst jetzt Vertrauen.
Axel Springer wird 100 – wirklich ein Grund zum Feiern?
Ich warte auf eine Businessfibel „Management by widdow“, denn die beiden witwengeführten Häuser Bertelsmann und Springer stehen deutlich besser da als viele Wettbewerber. Bisschen Axelspray dazu ist Folklore.
Und was machen die Borussen?
Heute Abend eröffnet Norbert Dickel seine Currywurstbude an der Marienkirche downtown Dortmund. Wenn das zum neuerlichen Pokalsieg beiträgt, wird es Veganer bekehren.
FRAGEN: EW
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