Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Herr Pfarrer hat's nicht kleiner, McDonalds ein Frittenmonopol, und die Tour de France ist zur Apothekenrundfahrt verkommen.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Der Erotikbestseller „Shades of Grey“ ist laut Spiegel Online der Rede nicht wert. Dazu bisher fünf Beiträge mit Bildstrecken.
Was wird besser in dieser?
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Die Konferenz Europäischer Rabbiner betrachtet das Kölner Beschneidungsurteil als „einen der wohl schwersten Angriffe auf jüdisches Leben nach dem Holocaust“. Bewirkt die Debatte einen Riss in der deutsch-jüdischen Beziehung?
Nein, dann würde es ja jüdische Deutsche in der Mitte zerreißen. Dieses Hüben-oder-drüben-Denken ist gefährlich gaga; ob nun zwischen Juden und Nichtjuden, Muslimen und Nichtmuslimen oder sonst und wem. Wo ist das Wir dieser Debatte? Wir wollen religiöse Selbstbestimmung und unveräußerliche Menschenrechte. Beides. Berlins evangelischer Bischof Dröge jedoch nennt das Urteil „vulgärrational“, was zu Biologismus und damit zu Totalitarismus führe. Kurz: Vorhaut ab oder Stalin. Mein Gott, Herr Pfarrer – wo wir eh gerade über Penis reden: Haben Sie’s auch ein bisschen kleiner? Alle, die jetzt von „jahrhundertealten religiösen Traditionen“ schwärmen, ob Westerwelle, ob Cypries, geben ohne Not willfährige What-a-mess-Diener für Menschenrechtsverletzungen. Lesen wir ihnen ihren Ramsch noch mal vor, wenn es wieder um Zwangsbeschneidungen an Mädchen geht. Hier passen ein Grundrecht und religiöse Riten nicht zueinander, das wird wehtun; man einigt sich mit viel rhetorischem Bimbam darauf: Na wenn schon, dann tut’s halt kleinen Jungs weh. Von Erwachsenen hätte ich mehr erwartet.
ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
Das Satiremagazin Titanic wurde wegen seines zweideutigen Papst-Covers verklagt. Lässt die Dreifaltigkeit keine Zweideutigkeiten zu?
Ich wäre sogar für das Cover, wenn es lustig gewesen wäre. Die alte Leier: Fundamentalisten erkennt man daran, dass sie zwischen ihrem Gott und sich selbst in seinem Abglanz nicht mehr unterscheiden können.
Viele Spanier fliehen vor Armut und Arbeitslosigkeit. Werden noch mehr nach Berlin ziehen?
Mehrwertsteuer hoch, Renten runter, Arbeitslosengeld weg: Wäre es nicht wirtschaftlicher, stattdessen unser Praktikantenkabinett nach Madrid zu schicken? Den ewig gleichen Sums, die Schulden der Banker aus den Taschen der weniger Verdienenden zu bezahlen, können die auch schon.
Die rechtsextreme Partei Chrisi Avgi hat die Griechen aufgefordert, ihr Blut nur noch für ihre Landsleute zu spenden. Was kommt als Nächstes?
Die Gema könnte die Rechte von Platon und Sokrates wahrnehmen und morgen alle Universitäten weltweit schließen lassen: „Das Höhlengleichnis enthält Gedanken, die in deinem Land leider nicht verfügbar sind.“ Riskant für Chrisi Avgi: Wenn Adolf Hitler der Gema beiträte, dann können die zumachen.
Der designierte republikanische US-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney will die Gesundheitsreform abschaffen und wurde dafür von schwarzen Bürgerrechtlern ausgebuht. Womit hätte er punkten können?
Romney hätte sich auch gleich selbst ausbuhen können, denn Obamas Gesundheitsreform war eine zugegeben saubere Abschrift eines älteren Romney-Konzeptes. Womöglich nützt es ihm bei Tea Party und Klansmen, wenn er von Afroamerikanern ausgebuht wird. Und wenn er seinen Beitrag zur Gesundheitsreform vergessen macht. Eine schlechte Kampagnenregie kann also Ursache für die Buhs sein – oder eine sehr clevere.
McDonald’s darf als einziges Unternehmen einzeln Pommes frites bei den Olympischen Spielen verkaufen, alle anderen dürfen das nur in Kombination, etwa als Fish and Chips. Entspricht nicht gerade dem olympischen Gedanken, oder?
Na ja, das Zeug ist für Sportler Nahrungsporno, und wenn es nur noch einen Anbieter gibt, jubelt der Ökofreund.
Bei der Fifa sind Schmiergelder geflossen, und keinen wundert’s. Ist der Ruf des Sports bereits ruiniert?
Gerade im Fußball mutiert Sportjournalismus zum höfischen Heroldwesen: Man hängt von denen ab, über die man berichtet; wer unbotmäßig recherchiert, ist bei der nächsten Rechterunde draußen. Umso erfreulicher, dass es Medien waren, die Skandale aufdeckten. Auch über die Tour de France wird immer noch als Sportereignis berichtet, wenngleich jeder weiß, dass es eine Apothekenrundfahrt ist. Ich guck’s nicht mehr.
Und was machen die Borussen?
Nichts! Schon bedenklich lange! FRAGEN: LAW
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