Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Untertanenträume von der Expertokratie, Altersarmuts-Science-Fiction und Baumarkt-Sonderaktion mit Sarrazin.

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?

Friedrich Küppersbusch: Der Verlag der Wulff-Biografien müsste mal langsam den Verkauf anheizen.

Was wird besser in dieser?

„Rotlichtmilieu“ – hübscher Name fürs Fernsehen.

Thilo Sarrazin erhält den Deutschen Mittelstandspreis für seine publizistische Auseinandersetzung mit der Eurokrise, die „auch vor unbequemen Wahrheiten und Repressalien ’seiner‘ SPD nicht zurückschreckt“. Verdient?

Wirft die Frage auf, ob und wie man aus dem deutschen Mittelstand austreten kann, wenn der eintritt. Mittelmaßpreis wäre auch hübsch und ehrlich, hier wirft ein wenig bekannter und offenkundig geschmacksneutraler Verlag mit Preisen nach Promis, damit er auch mal in die Zeitung kommt. Die branchenüblich nächste Stufe sind Stadtsparkassen-Tombolas, Karnevalsorden und Baumarkt-Sonderaktionen. „Heute bei OBI – Helm statt Kopftuch – Lassen auch Sie Ihren Ausländer gratis von Sarrazin anpöbeln“.

Religiös motivierte Beschneidungen bleiben auch in Berlin unter strengen Voraussetzungen straffrei. Die jüdische Gemeinde nennt diese Beschneidungsregelung antisemitisch. Ist dem so?

Die Bundesregierung hat dazu einen Gesetzentwurf angekündigt – Berlins Justizsenator Heilmann allein weiß, warum er da mal eben laut hupend rechts überholt. Wie der Guardian schrieb: „Es ist eine notwendige Debatte – es gibt dafür keinen ungünstigeren Schauplatz als Deutschland“. Heilmann kommt aus der Werbebranche und wird das Konzept „Radau ohne Inhalt“ künftig vorsichtiger auf die Politik übertragen.

Ursula von der Leyen will um jeden Preis ihr Lieblingsprojekt Zuschussrente durchpeitschen. Wird sie Altersarmut stoppen?

Von der Leyen ist schuld, dass die Sozis nie in Ruhe schlafen können! In der Sache wird der Staat – vulgo: Steuerzahler – die Sause eh bezahlen. Heute sind es 60 bis 80 Milliarden jährlich – und wie die gesellschaftlichen Druckverhältnisse 2030 sind, weiß auch von der Leyen nicht. Neoliberal wäre, die Altersarmut den Steuerzahlern anzuhängen und anschließend den Reichen die Steuern zu senken. Dann zahlen sich die Armen ihre Armut selber. Der Gegenvorschlag, unsere Kinder und Enkel bereits jetzt auf den Generationenvertrag festzulegen, hat Charme. Wie das bei Science-Fiction eben so ist.

Zwei Befangenheitsanträge gegen Verfassungsrichter Huber können das Urteil im ESM-Prozess nicht aufhalten: Es soll am 12. September verkündet werden. Wie wird es ausfallen?

Richter Huber hat sich für Volksabstimmung ausgesprochen, falls weitere Parlamentskompetenzen nach Europa gehen, und er hat den Verein Mehr Demokratie unterstützt, der gegen den ESM klagt. Je weniger das Parlament auf die Reihe kriegt, desto eher wird eben auch das RichterInnenkollegium Gegenstand politischer Fehden. Hier weht der Untertanentraum von der Expertokratie – der Diktatur der väterlichen Besserwisser. Eine aufgeklärte Gesellschaft entscheidet ihre Fragen im Parlament. Das Gericht wird den ESM durchwinken und eine Warnung nach der Melodie „Bis hierhin und nicht weiter“ hinstellen.

Nach dem Ende von „Waldis Club“ will die ARD Waldemar Hartmann auch nicht mehr als Boxmoderator. Der redet von „Altersdiskriminierung“.

Längs der Olympischen Spiele 2000 in Sidney lancierte der australische „Channel 7“ die Sport-Late-Night „The Dream“. In einer ärmlichen Hucke von Studio wurden durchgehend Neuseeländer bepöbelt, Superslomos von Herrengymnastik zu Discomusik durchgehechelt und ein eigenes Maskottchen „Fatso, der fettärschige Wombat“ inthronisiert. Alle Sportjournalisten schwärmten danach begeistert aus in die Welt. Die einen klauten dies, die anderen imitierten jenes. Nur die ARD hatte Pech und Waldemar Hartmann.

Mit Bildern der kaputten Brille von BVB-Trainer Klopp haben Betrüger versucht, bei Versicherungen Kasse zu machen. Majestätsbeleidigung?

Clevere PR der Versicherer, um die Meldung „Jeder zehnte Schadensfall ist gelogen“ unter die Leute zu bringen: Immer, wenn etwa ein neues iPhone herauskommt, landeten viele alte auf mysteriöse Weise im Kaffee oder sonst wo. Vermutlich reklamiert der FC Bayern bald die Meisterschale, die ist kaputt und verläuft sich immer nach Dortmund.

Und was machen die Borussen?

30 Minuten Gestocher, dann eine tolle Dortmunder Kombination: Götze zu Götze zu Götze und rein damit. Löw wird noch Arbeit haben, mehr Spieler auf die BVB-Spielweise einzusingen.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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