Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Wenn Gutti droht, will Putin lieber Snowden behalten, die Deutschen lieben Helden, und der Börsengang macht Twitter auch nicht attraktiver.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Ich muss das Schmunzeln noch wegkriegen, wenn der Nachrichtensprecher „Vizekanzler Sigmar Gabriel“ sagt.
Was wird besser in dieser?
Vielleicht wird es nicht so lustig.
Der Europäische Gerichtshof hat beschlossen, dass verfolgte Homosexuelle Recht auf Asyl haben. Längst überfällig, oder?
Prima. Etwas tückisch, dass zuvor „tatsächlich verhängte Haftstrafen“ nachgewiesen werden müssen. Geh in den Knast, dann hättest du theoretisch Asylanspruch. Die 38 Staaten Afrikas, in denen Homosexualität „verboten“ ist, müssten also Formulare ausreichen, in denen sie ihre uneingeschränkte Verfolgungsbereitschaft testieren. Nur bei Russland glauben wir es so, aus Freundschaft.
Edward Snowdens Begleiterin Sarah Harrison ist seit Mitte der Woche in Berlin und will bleiben. Kommt Snowden doch bald hinterher?
Die Frage ist Merkels Hebel, etwas mehr als noch ein Pressefoto mit Obamas Geheimdienstberatern zu bekommen. „No-Spy-Abkommen“ gegen „Scheiß auf Snowden“. Schöner Deal, außer für ihn. Wenn er in Russland aussagt, verstößt er gegen Putins Auflagen; tut er es hier, liefert Deutschland ihn aus.
Die Deutschen halten Snowden für einen Helden, sind sauer auf Obama, finden die NSA-Debatte aber überzogen. Wie passt das zusammen?
Wir lieben ja auch die englische Krone und Robin Hood gleichzeitig. Wir lieben die heldische Erzählung.
Angela Merkel hat Karl Theodor zu Guttenberg empfangen. Kommt der jetzt zurück?
Nein, Guttenberg war von EU-Kommissarin Kroes berufen worden, „Internetaktivisten in autoritär regierten Ländern zu helfen“. Merkel hat ihm also dargelegt, dass er sich einen roten Schal, ein Fahrrad und eine lustige Hans-Christian-Ströbele-Perücke kaufen soll. Für die EU soll er „zensursichere Notpakete“ an Verfolgte bringen, und wenn einer sicher vor jeder Zensur ist, dann summa cum Gutti. Alternativ könnte Merkel einen Tausch androhen: Guttenberg gegen Snowden. Dann behält Putin freiwillig Snowden.
Twitter ist an die Börse gegangen und gleich mit einem dicken Plus gestartet. Klingt doch gut. Warum sind Sie eigentlich nicht bei Twitter?
Twitter und mehr noch Facebook bedienen ein Stattfindebedürfnis, das bei günstigem Verlauf heilbar ist. Noch vor Datenschutz und Freiwilligenstasi ängstigt mich die Verlockung, da auch noch irgendjemand sein zu müssen. Sobald es verboten wird, mache ich mit.
Kassel hat gerade den 60. Geburtstag der Einkaufszone gefeiert, dort entstand 1953 nämlich die erste. Werden wir zum 100. überhaupt noch wissen, was das ist, eine Einkaufszone?
Im Vergleich zur dunnemals Ostzone ist ganz Deutschland inzwischen eine Einkaufszone. Deshalb bekommt der Konsum inzwischen eigene Stadtteile, „Kaufland“ oder „Möbelwelt“, und mitunter erniedrigt sich die Stadtverwaltung auch dazu, die Straßen nach den potenten Steuerzahlern zu benennen. Man kann die Kirche im Dorf lassen, das Dorf ist tot.
Ein Journalist will eine Zeitung für Hundehasser rausbringen. Für welches Thema würden Sie gern ein Magazin machen?
Mit der Nummer war er in den 1990ern als Fake in 14 Talkshows. Der Magazinmarkt dagegen strebt landlustig in die Fluchtthemen: Bruchsteinkotten für Innenstadtinsassen, glückliche junge Familien. Ein kommerziell erfolgreiches Konzept müsste also eine Eskapade, Realitätsflucht anbieten – Stern und teils auch Spiegel konkurrieren schon in dieser Richtung. Nischentipp: Im „Titelschutzanzeiger“ liest man jede Woche noch beklopptere Namen geplanter Projekte. Das erspart einem, die ganzen Hefte zu kaufen.
Und was machen die Borussen?
Zwei Spiele verloren, schlimme Verletzungen – perfekte Vorbereitung, die Bayern wegzuhauen. Wir können nur Underdog.
FRAGEN: ANNE FROMM
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Getöteter General in Moskau
Der Menschheit ein Wohlgefallen?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Bombenattentat in Moskau
Anschlag mit Sprengkraft
Missbrauch in der Antifa
„Wie alt warst du, als er dich angefasst hat?“
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit