Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Die Grünen stimmen für die Einschränkung der Reisefreiheit, Ausländer könnten teurer werden und bei Gruner + Jahr kämpft David gegen David.

Tromsø in Norwegen: trotz „Pille danach“ noch bewohnt. Bild: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Angeblich brach der Goldpreis ein, weil die Schweiz volksentscheidet, ihre Reserven nicht ins Land zurückzuholen.

Was wird besser in dieser?

Dagegen volksentscheidet die Schweiz, dass Ausländer weiterhin ins Land dürfen. Hm. Werden die jetzt teurer?

Bald gibt es das Asylbewerberleistungsgesetz, eine Art Hartz IV für Flüchtlinge. Wird jetzt alles gut?

2012 verpflichtete das Verfassungsgericht den Gesetzgeber, „unverzüglich eine Neuregelung zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums zu treffen“. Woraus erhellt: zwei Jahre sind das neue „unverzüglich“. Der karge Satz stand seit 1993, noch in D-Mark, unverändert im Gesetz, war mit keiner Berechnung hinterlegt und enthielt an Barem 80 Mark „Taschengeld“. Die neue Ausrichtung der Bundeswehr zum weltweiten Kampf für „universelle Menschenrechte“ spräche also für militärisch gekonnte Angriffe auf hiesige Landratsämter. Die, so die Richter, verletzten die Menschenrechte mit ihrem Zwei-Klassen-Hartz. Die Bundesregierung hat eine höchst überfällige Hausaufgabe gemacht; die Grünen stimmten im Gegenzug Einschränkungen der EU-Reisefreiheit zu. Finden das aber schlimm. Ja, dann ist ja gut.

In den USA wird fröhlich geballert: Nach dem Fall Ferguson töteten Polizisten in Cleveland einen 12-jährigen schwarzen Jungen, der mit einer Spielzeugpistole hantierte. Kann doch mal passieren, oder?

In putativer Notwehr hat der US-Staat zuallererst mal jegliche statistische Erfassung erschossen – es gibt keine. Ein schwarzer Bürgerrechtler bezog Kritik, nachdem er behauptete, „alle 28 Stunden“ sterbe ein schwarzer Mann durch Staatsgewalt; das FBI weist nur jene Fälle aus, in denen „rechtens“ getötet wurde. Und bei Kindern mit realitätsnahen Spielzeug-MPs streitet man, ob Spielzeugwaffen ohne orange Entwarnungsmarkierung nicht eben doch gefühlte Schusswaffen seien. Das schwingt mit, wenn nun selbst das Anti-Folter-Komitee der UNO schwammig schimpft, es sei „besorgt über die zahlreichen Berichte“. Das wird durch weniger Berichte nicht substanziell zu heilen sein.

Die „Pille danach“ gibt es bald auch bei uns rezeptfrei. Schmeißen jetzt alle wild Hormone?

Ja! Ausgerechnet die Norweger, von denen es eh so wenige gibt. Dort verdreißigfachte sich der Umsatz nach der Freigabe 1997 bis heute. Ohne Wirkung auf die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche. Ich kenne sehr nette Menschen, die – im Jargon der Danachpillendebatte – „Verhütungsunfälle“ sind. Also bei denen wäre ich dagegen gewesen.

Das Rechercheteam „Correctiv“ konnte seine These, dass es eine Dunkelziffer an Toten durch multiresistente Erreger gibt, nicht belegen. Muss man es im Journalismus denn immer so genau nehmen?

Neben SZ/NDR/WDR und diesem „Correctiv“-Verbund mit Zeit und „Funke-Gruppe“ bilden sich weitere Rechercheverbünde. Und, „quis custodiet custodes“, wer bewacht die Wächter, es gibt Gegenrecherchen wie hier der taz. Das zusammen ist doch Notwehr gegen multiresistenten Schwachsinn aus PR-Agenturen. Klasse. Tipp: Ein Freund humpelte zwei Jahre nach einem Routineeingriff – Keime im OP. Künftig besteht er vor der OP auf einen Abstrich der Keime auf seiner Haut. Dann können sich die Ärzte nicht drauf herausreden, er selbst habe den Keim mitgebracht.

In einem offenen Brief an die Gruner+Jahr-Vorsitzende Julia Jäkel beschreibt Gabriele Riedle, zukünftige Ex-Geo-Redakteurin, die persönlichen Konsequenzen ihrer Entlassung. David gegen Goliath?

Nein, schlimmer: David gegen David. Was derzeit an Qualitätsjournalismus in klassischen Medien wegbricht, entsteht nicht in vergleichbarem Umfang neu in neuen Medien. Da haben Riedle und Jäkel, JournalistInnen und Verlage dasselbe Problem. Früher musste halt RTL ein paar erfolgreiche Spektakel mehr senden, damit am Ende Bertelsmann seinem Ableger G+J ein paar Spleens wie sorgfältige Geo-Recherchen bezahlen konnte. Vorbei. Riedle beschreibt ihren Arbeitsplatz als „immer auch etwas Familienartiges“, gegen das die Kündigung wirke wie „ein Akt der Gewalt.“ Das ist so wahr und nötig ausgesprochen zu werden – wie hilflos.

Und was machen die Borussen?

Die Carl-Duisberg-Straße nahe der City wird in „Kleine Löwen“-Straße umbenannt! Wie süß! Endlich eine Widmung für die U18 des BVB!!! Na ja, offiziell begründet es die Stadt damit, Duisberg sei als Bayer-Chef für Zwangsarbeit, Giftgas und später Nazi-Wirtschaft verantwortlich gewesen. Auch gut.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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