Die Wirtschaftskrise der Fernsehwerbung: Klopausen werden kürzer
Die Krise hat den TV-Werbemarkt erreicht. Im Jahresvergleich sanken die Einnahmen um 4,5 Prozent, die Rabattschlacht der Sender verschärft die Situation zusätzlich. Vor allem RTL ist betroffen.
Jetzt gibts die Wirtschaftskrise also auch im Fernsehen. Genauer: in den Werbepausen, wobei es insbesondere Marktführer RTL erwischt hat. Erstaunlich wenig Werbung war beispielsweise beim Quotenerfolg "Ich bin ein Star, holt mich hier raus" zu sehen. IP, die Vermarktungsgesellschaft der RTL-Gruppe, verbuchte für den Januar einen Bruttoumsatzrückgang bei den Werbeeinnahmen von 16,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Vor allem Automobilindustrie und Finanzwirtschaft haben ihre Etats heruntergefahren.
Insgesamt haben Werbetreibende im Januar 511 Millionen Euro in Fernsehwerbung investiert, im Januar 2008 waren es noch 535 Millionen. Der Einbruch dürfte aber noch mehr als 4,5 Prozent betragen, wenn man die Nettobeträge zugrunde legen würde - denn auf die offiziellen Preise der Sender werden üblicherweise ordentliche Rabatte gewährt, die in der Krise noch gestiegen sein dürften. Wie hoch sie tatsächlich sind, ist geheim, Schätzungen gehen aber dahin, dass weit über 50 Prozent von den offiziellen Preisen abgezogen werden können. Bereits 2007 war der Unterschied beträchtlich: Mit 8 Milliarden Euro wurden die Bruttowerbeeinnahmen angegeben, netto wurden laut Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft nur 4,1 Milliarden eingenommen.
In Fachkreisen heißt es daher, dass dem TV-Werbemarkt Ende des Jahres zusätzlich eine halbe Milliarde Euro entzogen werden könnte. Bei den Mediaagenturen, die diese Rabatte für ihre werbetreibenden Kunden aushandeln, spricht man nicht gerne über dieses Thema. Aber, so der Sprecher der Omnicom Media Group Germany, Marc Sickfeld: "Es ist auf jeden Fall Bewegung im Markt." Aus seiner Sicht wird die aktuelle Situation mit einem "induzierten Kostendruck" noch mehr dafür sorgen, dass Unternehmen beim billigsten Anbieter buchen: "Der Preis ist heiß." Sickfeld bemängelt, dass strategische Werbung, etwa in gezielten Umfeldern, kaum stattfindet, wenn nur versucht wird, so viel Werbung wie möglich für wenig Geld zu schalten. Auch IP-Marketing-Chef Florian Ruckert hofft, "dass wir in Zukunft mit Kunden und Agenturen wieder über die Qualität und die Reichweite unserer Programme sprechen."
Während RTL vom Sinken der Werbeeinnahmen am stärksten betroffen ist, freut man sich bei SevenOne Media. Die Vermarkter der ProSiebenSat.1-Gruppe können mit einem Gesamtbruttoumsatz von 223,8 Millionen Euro im Januar eine Umsatzsteigerung von 2,7 Prozent gegenüber Januar 2008 verbuchen. In München ist man sicher, aus der Krise gestärkt hervorzugehen. Klaus-Peter Schulz, Vorstand Sales & Marketing der ProSiebenSat.1-Gruppe, sagt: "TV ist nachweislich das am besten erforschte Medium, was die Effizienz angeht. Daher wird es 2009 auch zu den relativen Gewinnern gehören. Und innerhalb des Fernsehens wird ProSiebenSat.1 der relative Gewinner sein." Als Gründe führt Schulz die positive Zuschauerentwicklung und das Rabattmodell der Sendergruppe an. Was "relativer Gewinn" wirklich bedeutet, muss sich allerdings erst zeigen: Kritiker führen das aktuell gute Ergebnis auf die Rabattschlacht und einen katastrophalen Januar 2008 zurück.
Eins scheint aber sicher zu sein, zumindest laut Studien zu früheren Rezessionen: Nicht werben ist auch keine Lösung. Gerade unbekanntere Marken verschwinden dann aus dem Bewusstsein der Konsumenten. Wer aber Werbung schaltet, kann sich in Krisenzeiten umso mehr durchsetzen. Wie etwa der Computer-Hersteller Dell, der seine Werbeausgaben Anfang des Jahrtausends nach Börsencrash und 9/11 um über 100 Prozent steigerte und seinen Absatz so um 20 Prozent erhöhte. Nike, das seine Marketingausgaben verringerte, erlebte dagegen einen starken Einbruch. Und 1993, als der Automarkt stark einbrach, konnte Citroën dank offensiver Werbung den Absatz seiner Fahrzeuge steigern, während der Marktanteil von Opel entsprechend der zurückgefahrenen Marketingmaßnahmen sank.
Joachim Schütz, Geschäftsführer der Organisation Werbungtreibende im Markenverband, sieht jedenfalls in der aktuellen Situation Vorteile: "Für alle, die jetzt Werbung schalten, ist es gut. Denn sie bekommen mehr fürs Geld."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch