: „Die Welt in Händen“
■ Führers Erdspielball, abgewetzt / Historische Globen und Karten in Bremerhaven
Chaplin hat es uns vorgemacht, wie man mit der Weltkugel spielt. Als wahnsinniger Diktator Hinkel tanzt er lüstern um den Erdenball, den er erobern möchte. Der Globus fliegt dann leicht durch die Luft, und Charlie Hinkel lächelt wie ein Kind.
Das Vorbild des Hinkel hieß Adolf Hitler und hatte auch einen Globus in seinem Führerarbeitszimmer. Auf Berlin muß er immer wieder getippt haben, Berlin war der Ausgangspunkt all seiner Berechnungen, und Berlin ist heute ganz abgenutzt vom Füh
rerfinger.
Von dieser Tatsache kann man sich selbst überzeugen in der Ausstellung „Die Welt in Händen“, die zur Zeit im Bremerhavener Schiffahrtsmuseum zu sehen ist. 180 historische Globen und Karten gibt es dort zu sehen. Unter ihnen ist auch der Führerglobus. Leider stehen und liegen alle Exponate unter Glas. Von wegen „Die Welt in Händen“. Dem Besucher ist es nicht vergönnt, die Globen kreisen zu lassen oder mit seinem Finger, wie der Anstreicher es tat, auf der Landkarte zu reisen.
Auch in alten romantischen Filmen spielt der Globus seine Rolle. „Liebling, wohin fahren
wir“, fragt sie ihn in der Schlußszene, vor den Flitterwochen, und er lächelt nur geheimnisvoll, tritt zum Globus und bringt diesen in Bewegung. „Schließ die Augen Kleines und dann wähle“. Sie tippt auf den rotierenden Ball und irgendein Südseeparadies ist als Reiseziel gefunden. Unsereins würde sicher in Grönland landen oder im Marianengraben. Aber Unsereins reist auch nur im Geiste oder nach Kreta.
Im Bremerhavener Schiffahrtsmuseum kann der Besucher in seinen Gedanken und Träumen auch durch die Zeit reisen. Die Globen und Karten entstammen fünf Jahrhunderten. Die geographische Vorstellung von der Erde
wich bekanntlich in früheren Zeiten teilweise stark von unserer heutigen ab. Amüsant zu sehen, wie Welt aussehen kann und was Welt einmal war. Schön verarbeitet hat man sie jedenfalls, ob als zierlichen Rokokoglobus oder als Planet im Taschenformat für englische Snobs des neunzehnten Jahrhunderts.
Die Ausstellung kommt aus den Beständen der Stiftung Peußischer Kulturbesitz und dürfte einzig in ihrer Art sein. Zu sehen ist sie in Bremerhaven ganze drei Monate lang - bis zum 3. Oktober. Alle Daheimgebliebenen können bis dahin noch einen Eintagestrip um die Welt unternehmen. Wolfram Steinber
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