Die Wahrheit: Scharmützel mit Navi
Wenn einer und eine eine Reise tun: Verwicklungen und Verstrickungen per Navi und Smartphone sind, was die Orientierung anlangt, vorprogrammiert.
D ie Frau und ich beschließen, einen spontanen Ausflug zu unternehmen. Für solche Anlässe haben wir noch immer das alte Auto. Und selbstverständlich, um in der Nachbarschaft nicht negativ aufzufallen. Wir wollen ja nicht für Grüne gehalten werden. Wir wollen nur ins Grüne fahren.
Das Navi soll uns dabei unterstützen. Nachdem es uns aber über eine Autobahnbrücke führen will, die es nicht mehr gibt – wir haben es ziemlich lange nicht aktualisiert –, schalte ich mein Smartphone hinzu. Tatsächlich kennt es einen anderen Weg: „An der nächsten Ecke bitte wenden.“
Diese Korrektur trifft das alte Navi in seinem ganzen Stolz. Und so kontert es: „Wieso wenden? Wir sind doch auf dem richtigen Weg.“ – „Sind wir nicht“, kommt es aus dem Handy. „Und selbst wenn, würde das viel länger dauern.“ – „Es ist aber die schönere Strecke“, sülzt das Navi. „Die führt an freien Feldern vorbei, die einen wunderbaren Blick erlauben.“
Die Frau ist perplex: „Wusste gar nicht, was für’n Romantiker das Navi ist“. – „Pah, von wegen Romantiker! Es ist den Weg nur ewig nicht mehr gefahren.“ Das sage mitnichten ich, sondern mein Telefon. „Auf den weiten Feldern stehen inzwischen überall Windräder“, echauffiert es sich. „Potthässlich!“
Grummelndes Navigationsgerät
Das im Armaturenbrett fest verbaute Navi grummelt etwas von „sei froh, dass es die gibt, weil dein Akku braucht regelmäßig Strom. Ich kriege ja den Saft direkt aus dem Motor.“ –„Angeberin!“, ruft mein Handy, „Ökostrom ist so was von fad. Seitdem nicht wenigstens versehentlich mal Atomstrom aus der Buchse fließt, zeckt es gar nicht mehr in den Kathoden.“
Die Frau und ich sehen uns an. Das ist ja fast so wie früher, als die Eltern den Straßenatlas unterschiedlich interpretierten. Schöne Urlaube waren das. Vor allem der, als wir statt nach Lübeck zu kommen, Urlaub in Prag gemacht haben.
Zukünftigen KI-Generationen werden bestimmt noch mehr Macken einprogrammiert. Da vergisst der Smartspeaker dann schon mal, einen zu wecken. Oder rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass die Nudeln nach zehn Minuten abgegossen gehören. Beschwerden werden nicht akzeptiert.
„Ich habe sehr wohl Bescheid gesagt“, heißt es dann. „Du hörst mir halt nie zu!“ – „Das stimmt doch nicht! Du hast mir die ganze Zeit Klatsch von promiflash.de vorgelesen.“ – „Ich habe dir erzählt, dass Kim Virginia und Nikola Glumac in Las Vegas geheiratet haben. Und dass die Nudeln fertig sind.“ – „Wer bitte?“ – „Na, die Spaghetti, die du vorhin …“ In Zukunft werde ich dann sagen: „Ich habe dich nicht verstanden“, und versuchen, der KI den Stecker zu ziehen. Leider hat sie keinen.
Im alten Auto dürfen derweil Navi und Smartphone weiter über den vermeintlich besseren Weg diskutieren. Wir nehmen einfach die nächste Ausfahrt. Und hoffen auf einen offenen, ganz analogen Landgasthof. Darüber streiten, wer diese Kaschemme ausgesucht hat, können wir ja immer noch.
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