Die Wahrheit: Ausfälliges London mit kleinen Eiern
Alles und noch mehr über einen unvergesslichen Abend im vermeintlich besten Comedy-Club von London, gelegen in Soho. Ausfallschritte kommen auch vor.
W er in London nicht allein sein will, geht in den Club. In den Comedy-Club. In Soho betrete ich den besten von allen. Das versichert mir jedenfalls am Eingang Gabby, die erste Comedienne an diesem mau besuchten Montagabend.
Gabby fackelt nicht lange und erzählt direkt von ihrer ersten Vorsorgeuntersuchung beim Gynäkologen: „Lange Zeit hab ich gar keinen Termin bekommen. Na ja, musste ich halt Abstriche machen.“ Dann gesteht sie: „Ich bin total besessen von Abtreibungen. Dann kam endlich der Brexit. Vorher war die einzige Möglichkeit, etwas Ungeliebtes loszuwerden, die Abtreibung.“
Ich lache und klatsche, dann steht mein Sitznachbar auf. Er entert die Bühne. Mit merkelig hängenden Mundwinkeln erzählt er von seiner Scheidungsparty: von Frauen, die nicht zum Date erscheinen und seinem Lieblings-Datingportal, auf dem man sogar sehen kann, wer alles weitergeswipet hat. Ich lache wie verrückt.
Ee-Jay kommt auf die Bühne, ein asienstämmiger Nordamerikaner, der eben noch vor mir saß und der sich total über die Geburt seiner beiden Kinder freut, weil er nun nicht mehr der einzige Asiate in seinem Hillbillydorf ist. Dort seien sowieso alle schwul, denn Homos könne man ja daran erkennen, dass sie sich über Homos aufregen. „Die kommen her und sagen: Hey Dude, findest du nicht auch, dass man diese Homobar besser schließen sollte? Wo ist die eigentlich noch mal genau?“
Eklige Witze über den Ex
Jetzt ist meine linke Nebensitzerin dran, Joan aus Südlondon: Sie entschuldigt sich dafür, dass sie jetzt sehr eklige Witze über ihren Ex machen müsse. Der habe nämlich sehr kleine Eier. Die mochte sie sehr und fragte sich dann immer, ob sie eigentlich pädophil sei. Ich lache und klatsche und stelle verblüfft fest, dass ich wohl die einzige Person im Club bin, die heute nicht selbst auftritt. Ich bin unendlich gerührt, dass all diese großartigen Menschen zusammengefunden haben, nur um mich zum Lachen zu bringen.
Schließlich kommt Sean, der Headliner des Abends, der war sogar schon mal im Fernsehen. Typ verklemmter Buchhalter in Horn und Brille. Er erklärt, warum große Comedians auf großen Bühnen oftmals hin und her laufen oder einen Ausfallschritt machen. Nicht um Gewicht zu verlieren, sondern weil großes Gelächter in großen Räumen manchmal zu lange dauert und diese Dauer den nächsten Witz killt. Durch diesen Trick gewinne man Zeit. „Wenn Sie also sehen, dass ich einen Ausfallschritt mache“ – er macht einen Ausfallschritt – „dann wissen Sie, dass es lustig war.“ Prompt legt er los: „Ich hab mal eine Lesbierin umgedreht“, prahlt er – und macht einen Ausfallschritt. „Sie ist jetzt Lesbierin.“
Zum Abschlussapplaus treten alle Comedians noch mal auf die Bühne, und ich bedanke ich mich für den unvergesslichen Abend. „Ist doch klar, dass wir gekommen sind“, säuselt Sean generös und macht einen Ausfallschritt. „Allein wären Sie ja in schlechter Gesellschaft gewesen.“
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