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Die WahrheitDer Monsterbutler

Mit erbeuteter Kohle nach London ziehen, geschnappt werden, frei kommen, sich unter die Aristokratie mischen – die Geschichte einer realen Filmfigur.

E igentlich hieß er Archibald Thompson Hall, aber er ist als „Monsterbutler“ bekannt geworden. Hall wurde 1924 in Glasgow geboren, gestorben ist er vor ziemlich genau 23 Jahren, am 16. September 2002, im Kingston-Gefängnis von Portsmouth.

Mit 15 begann er zu stehlen und erhielt mit 17 seine erste Gefängnisstrafe. Mit dem Geld aus seinen Einbrüchen zog Hall nach London. Hollywood und seine Stars faszinierten ihn, und inspiriert von Joan ­Fontaine in Alfred Hitchcocks Film „­Rebecca“ änderte er seinen Namen in Roy Fontaine.

Er war kurz verheiratet, lebte jedoch offen bisexuell und wurde von der Londoner Schwulenszene aufgenommen, aber seine Einbrüche holten ihn schließlich ein. Während der langen Haftstrafe erfand er sich neu, legte seinen Glasgower Akzent ab und studierte Umgangsformen, um sich nach seiner Entlassung unter die englische Aristokratie mischen zu können. Er fand eine Anstellung als Butler bei Lady Margaret Hudson in Schottland und begann eine Affäre mit einer Prostituierten namens „Belfast Mary“ Coggle.

Eigentlich wollte er fortan ein ehrliches Leben führen, doch als die Lady seinen Zellengenossen und Ex-Liebhaber David Wright als Gärtner einstellte, fürchtete Hall, der könne über die gemeinsame Vergangenheit plaudern. Bei einer Kaninchenjagd schoss er Wright in den Kopf und vergrub die Leiche vor Ort. Damit war jeglicher Gedanke an ein ehrliches Leben verflogen.

Hall ging zurück nach London und nahm eine Stelle als Butler bei dem ehemaligen Labour-Abgeordneten Walter Scott-­Elliot und dessen Frau Dorothy an. Gemeinsam mit dem Kleinkriminellen Michael Kitto wollte er die Wertsachen aus dem Haus schaffen, doch das Ehepaar kam unerwartet nach Hause. Hall und Kitto brachten die beiden um und vergruben sie 400 Kilometer nördlich in Schottland. Weil Belfast Mary den Nerzmantel der Toten – ein potenzielles Beweismittel – behalten wollte, tötete Hall sie mit einem Schürhaken.

Glücksfall für Kitto

Kitto und Hall machten sich auf den Weg zu Fontaines Elternhaus in Cumbria, wo sie Halls Bruder Donald vorfanden, der zu neugierig war, sodass Hall ihn ebenfalls tötete. Schließlich wurden die beiden geschnappt, weil ein Antiquitätenhändler misstrauisch geworden war, als sie ihm Silberbesteck weit unter Wert anboten. Für Kitto war das ein Glücksfall, denn Hall hätte auch ihn umgebracht.

Hall veröffentlichte 1999 seine Autobiografie „A Perfect Gentleman“. Nach seinem Tod kam er seinem Traum von Hollywood ein kleines bisschen nahe, aber dieser Traum zerplatzte auf eine für Hall typische Art. Sein Buch sollte mit Malcolm ­McDowell, der durch seine Hauptrolle in Stanley ­Kubricks „Uhrwerk Orange“ bekannt geworden war, unter dem Titel „Monster Butler“ verfilmt werden. Teile wurden 2012 gedreht, dann ging das Geld aus und die Crewmitglieder wurden um ihre Gage geprellt.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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