Die Wahrheit: Vier auf einen Streich
Hat Alexander Dobrindt heimlich Nachwuchs gezeugt? Eine Blutspurensuche mit politischem Sprengstoff im Umfeld des Bundesinnenministers.
Auf den ersten Blick scheint es nur ein Flüchtigkeitsfehler zu sein, der seit mehr als 13 Jahren im Netz steht und bisher niemandem aufgefallen war: Die Bild-Zeitung berichtet im Februar 2012 von Nachwuchs im Hause des damaligen CSU-Generalsekretärs. „Dobrindt ist zum ersten Mal Vater“, lautet die Schlagzeile. Unter dem Foto, das den frischgebackenen Papa zeigt, heißt es allerdings: „Dobrindt ist zum vierten Mal Vater geworden.“ Und in diesem vermeintlich kleinen Detail steckt politischer Sprengstoff.
Alexander Dobrindt, der „Oberbayer mit Herz und Heimlichtuerei“ (derwesten.de), hält Details über sein Privatleben unter Verschluss – angeblich, um seine Familie vor den Medien zu schützen. In seinem offiziellen Lebenslauf heißt es lediglich, dass er seit 2006 mit seiner Frau Tanja Käser verheiratet ist und einen Sohn hat. Einen. Daran jedoch gibt es nun erhebliche Zweifel. Denn drei Frauen behaupten unabhängig voneinander, dass der heutige Bundesinnenminister der Vater ihrer Kinder sei.
Etwa die alleinerziehende Mutter Christel V., die in Dobrindts Heimatort Peißenberg bei der Post arbeitet. „Es war im März vor acht Jahren“, erzählt die 45-Jährige bei einem Treffen in der Dorf-Eisdiele. „Wir waren beide beim großen Sauschießen“ im Schützenverein, in dem Dobrindt auch heute noch Mitglied ist. „Der Sascha“ sei „schon ziemlich angeschickert gewesen, der trinkt ja höchstens mal ein Weißbier“, sagt V. und löffelt ihr Kinder-Spaghettieis. Nach vier Weißbier sei es hinter dem Schießstand „zum Äußersten gekommen“.
Als sie schwanger wurde, habe „der Sascha“ ihr Stillschweigen verordnet („Verordnen konnte der schon immer gut“) und gesagt, sie habe „wohl kaum die Intention, die Polarisierung in der Gesellschaft Peißenbergs zu befördern“. Sie habe zwar „nicht genau verstanden, was er damit meint, aber ich hab halt den Mund gehalten“. Nun allerdings sei ihr die eigene „falsch verstandene Milde“ bewusst geworden. Dobrindt solle zu seinem Sohn stehen. „Der Sepp sieht jetzt schon aus wie sein Papa.“
Affäre mit Ali
Noch weiter zurück liegt die Liaison mit Aylin T., die „den Ali“, wie sie Alexander Dobrindt neckend genannt habe, 2008 in einem Restaurant in Berlin kennenlernte. Sie sei Kellnerin gewesen, erzählt die 42-Jährige, und habe „für wenige Wochen“ eine Affäre mit dem künftigen Verkehrsminister gehabt. Politiker seien jedoch „keine guten Liebhaber“, beklagt T., deshalb habe sie „die Sache“ beendet – bevor sie gewusst habe, dass sie ein Kind erwartete.
„Der Ali“ habe auf diese Nachricht „zurückweisend“ reagiert („Zurückweisen konnte der schon immer gut“) und gesagt, es sei ein großes Problem, dass Frauen versuchten, „eine Schwangerschaft als Waffe einzusetzen, um Männer unter Druck zu setzen“. T. schnaubt. „Er meinte, auch diese Art von Familiennachzug sei eine Bedrohung für unsere Sicherheit, vor allem für seine eigene.“ Aylin T. strafft den Rücken. „Aber das ist mir jetzt egal. Der Ali soll endlich seinen Sohn kennenlernen. Mohammed ist bald erwachsen. Er sieht seinem Vater leider sehr ähnlich.“
Und schließlich Eva A., die „den Atze“ 2006 in einem Sonnenstudio in der Münchener Innenstadt kennenlernte. Bei der Party zu ihrem 18. Geburtstag sei „es“ dann passiert. „Wir haben reingefeiert“, erzählt A. kichernd und trinkt von ihrem Erdbeermilchshake, „streng genommen war ich noch minderjährig, es war nämlich kurz vor Mitternacht, als der Atze unseren süßen Justin zeugte, wenn Sie verstehen, was ich meine.“ A. kneift eine Auge zu.
Dobrindt habe gesagt, „sein großes Vorbild Franz Josef Strauß“ habe ihn „stark inspiriert“, offenbar auch im Hinblick auf junge Frauen. Diese könnten aber keine „Sonderregeln“ erwarten. „Er meinte: Der Justin gehört, egal in welcher Form, nicht zu mir.“ Er habe A. verboten („Verbieten konnte der schon immer gut“), über „den Vorfall“ auch nur zu reden. „Der Atze ist echt crazy. Der würde am liebsten noch ’ne Maut für den Geburtskanal einführen.“ Sie sei derzeit etwas knapp bei Kasse, und „da ist mit der Zeit ja auch ein Batzen Unterhalt aufgelaufen“. A. spricht direkt in das Aufnahmegerät: „Also Atze, wenn du das hörst: Noch kannst du verhindern, dass der Justin zu ‚Bitte melde dich‘ geht!“
General als Vorbild
Alexander Dobrindt selbst äußert sich bislang nicht zur Sache. In seiner Partei jedoch ist man alarmiert. Vor drei Jahren erst trat der damalige CSU-Generalsekretär Stephan Mayer von seinem Amt zurück, vorgeblich aus gesundheitlichen Gründen. Tatsächlich jedoch hatte das Boulevardmagazin Bunte aufgedeckt, dass der bis dato als ledig bekannte Mayer ein uneheliches Kind habe, um das er sich nicht kümmere, und dass er einen Journalisten des Blattes bedroht haben soll.
Angesprochen auf die Enthüllungen rund um Dobrindts angebliche Vaterschaften legt Edmund Stoiber die Stirn in tiefe Falten. Das Ganze erinnere ihn sehr an die Zeiten, in denen die Boulevardpresse von der „Christlichen Sex Union“ geschrieben habe, sagt der ehemalige Ministerpräsident und Kanzlerkandidat. „Horst Seehofer hatte ein uneheliches Kind, das war schon ein Skandal. Aber gleich drei?“
Der 83-jährige Stoiber sagt, man lebe zwar nicht mehr im Mittelalter, das habe er jedoch immer bedauert. In der CSU werde hinter vorgehaltener Hand nach wie vor über Parteichef Markus Söder getuschelt. Dessen Tochter Gloria-Sophie kam zwar zur Welt, als Söder seine jetzige Ehefrau noch gar nicht kennengelernt hatte.
„Trotzdem: Dann hätte er die Mutter seines Kindes eben heiraten müssen. Das ist bayerische Familientradition“, sagt der qua Amt für Schweinereien zuständige Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer. Bei den Parteimitgliedern mit unehelichen Kindern handele es sich um „eine schrille Minderheit“, die sich nicht durchsetzen dürfe.
Noch halten dem Bundesinnenminister ranghohe Unions-Abgeordnete die Stange, darunter Bundesforschungsministerin Dorothee Bär. Sie sagt, als Frau beurteile sie das Thema Schwangerschaft aus einer anderen Perspektive. „Entscheidend ist doch, was hinten rauskommt.“ Und Kanzler Friedrich Merz erklärt, ein Rücktritt Dobrindts nutze letztlich niemandem. „Wir täten damit auch den Frauen keinen Gefallen.“
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