Die Wahrheit: Wie costaricat es morgens?
Ein dauernd tirilierender Klangteppich, der dich Tag und Nacht schweben lässt, das ist die Geräuschkulisse im aufregenden Land der Ticos.
J eder Ort hat seinen Sound, jedes Haus seine Geräusche. Ich konnte früher in meinem ostwestfälischen Kinderzimmer anhand des Klangs der Treppenstufen genau den Abstand meiner Eltern zu mir bestimmen. So konnte ich gerade noch rechtzeitig das Licht ausmachen, damit sie mich nicht beim nächtlichen Lesen erwischten. Zu den Geräuschen meiner Wohnung heute gehört der Zug Hunderter Krähen, die morgens über das Haus zu den Futterplätzen fliegen, um Stunden später zu ihren Nestern zurückzukehren.
Nach drei Wochen Costa Rica bin ich in ganz anderen Klangwelten, die mich in den Schlaf schaukeln und morgens wieder wecken. Zum Sonnenaufgang flöten in La Garita die Vögel mit dem Triller und der Regelmäßigkeit eines Handy-Wecktons: „Fufufu-fiep, Fufufu-fiep, Fufufu-fiep.“ Dann plötzlich: „Fufufu-föp“! Ist das eine neue Info? Oder ein neuer Vogel?
In Cahuita melden sich Tukane: „Fiep, fiep fürp“. Auf der Osa-Halbinsel hören wir Aras und sehen dann die rot-blau gefiederten Riesen der Lüfte, als wären sie verliebt, turtelnd über den Dschungel gleiten. Hunderte Meter höher fliegen rothalsige Truthahngeier und streuen ihre heiseren Rufe über das Land.
Ständig und überall klingt ein „Huthuthut“, ein „Tromtrom, Tromtrom“, ein „Uituit“, es ist ein einziges Huhen und Buhen, Gurren und Girren, Trillern und Pfeifen, Singen und Tröten. Angeblich singen sogar die Faultiere!
Abends nach Sonnenuntergang hören wir den erstaunlich stimmmächtigen Krach der Zikaden, die an irrlichternd arbeitende Presslufthämmer erinnern. Und riesenhafte grüne Zikaden fliegen von der Dunkelheit ins Licht und titschen dort wie unkontrollierte, elfenbeinern-harte Billardkugeln auf, knallen gegen Möbel und Menschen und immer wieder sehr gern mit lautem Plopp an meinen Hinterkopf.
Der neue Morgen beginnt mit den Rufen der Chachalakas aus der Familie der Hokko- und Schaku-Hühner, dazu gesellt sich der Oropendula. Ich kann die Namen alle kaum buchstabieren. Der unfassbar schöne Aramides Cajaneus, hier La Cotara Chiricote oder liebevoll Chiringcoco genannt, hockt vor mir. Gott muss auf einem LSD-Trip gewesen sein, als er den geschaffen hat mit seinen roten Augen.
Wir wohnen mit Blick auf eine zauberhafte Teichlandschaft, an der sich nach Sonnenuntergang ein vielstimmiges Abbruch-Orchester einfindet, in dem kleinste Froscharten gigantische Demontage-Kompositionen und Demolition-Sounds aufführen. Selbst die aber werden noch übertönt von den mächtigen Schreien der Brüllaffen in den Dschungeln.
Täglich höre ich diese klangvollen Gute-Nacht- und Guten-Morgen-Geschichten aus Tausend-und-einer-Palme. Wie soll ich ohne das alles je wieder einschlafen oder aufwachen? Ich muss mir auf dem Handy eine 24-Stunden-Aufnahme einrichten: die komplette Costa-Rica-Soundcloud!
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