Die Wahrheit: New York, New York
Im Big Apple hat ein geheimnisvolles Männchen eine Fotobotschaft aus der Vergangenheit vom großen Meister Frank Zappa höchstpersönlich.
L uis machte eine Kunstpause und nahm betont langsam einen Schluck Bier. Selbst Petris, Wirt des Cafés Gum, der gerade eine neue Runde für uns zapfte, lauschte gebannt. „Und?“, fragte Raimund, der die Spannung kaum aushielt: „Uuund?!“ Luis grinste. „Er war es tatsächlich: Frank Zappa, the Great Googly Moogly.“ – „Wahnsinn“, keuchte Raimund, „so was passiert echt nur in New York!“
Luis hatte zum Sechzigsten von Beate einen Kurztrip nach New York geschenkt bekommen. Als Bennie, ihr Sohn, das erfuhr, hatte er in riesigen Lettern „Klimakiller!“ an ihre Haustür gesprüht. Seitdem sprach er nicht mehr mit ihnen, aber das, fand Luis, war es wert.
Denn als sie durch Brooklyn stromerten und auf einem alten Spielplatz mit halb verrotteten Spielgeräten eine Pause machten, hatte sich ein uraltes, zerknittertes Männchen zu ihnen gesetzt und sie gefragt, ob sie wüssten, dass Frank Zappa an einem Tag seiner legendären New-York-Konzerte im Jahr 1976 mittags hier mit seiner Gitarre in der Sonne gesessen und ein paar schwierige Stellen aus der Tracklist der Show geklimpert habe. „Und raten Sie mal“, fuhr das Männchen fort, „wer ihn dabei fotografiert und hinterher eine Kippe mit ihm geraucht hat?“
Selbstverständlich glaubte Luis ihm kein Wort, doch das Männchen zog einige ausgebleichte Polaroids hervor, auf denen tatsächlich der Meister himself, seine Gitarre sowie, auf einer Art vorsintflutlichem Selfie, das junge und noch unzerknitterte Männchen samt Zappa und zwei Zigaretten zu sehen waren.
„Wahnsinn!“, keuchte Raimund, der sich gar nicht wieder einkriegte. Theo indes war nicht überzeugt. „Ich hab mal im Zug einen Polen kennengelernt, der behauptete, er wäre Polanskis Kameramann bei ‚Tanz der Vampire‘ gewesen“, sagte er. „Er hat mir haarklein beschrieben, wie er an einem mordssteilen Hang in den Dolomiten die Schussfahrt von Draculas Knecht im Sarg durch den Schnee gedreht haben will. Später hab ich erfahren, dass die Szene komplett im Studio aufgenommen wurde und der Kameramann Brite war.“
„Aber der Typ hat mir Fotos gezeigt!“, protestierte Luis. „Na und? Mit Photoshop kannst du selbst Karel Gott Zappas Gitarre umhängen und ihn auf die Bühne des Palladiums stellen.“ – „Es waren echte Pola-roids mit ausgefransten Rändern!“, rief Luis. Doch Theo winkte ab: „Jede Wette, dass du im Internet längst alt aussehende Polaroids kaufen kannst, auf denen man sieht, wie Moses das Rote Meer teilt.“
Luis schnaubte ungehalten und verschwand Richtung Klo. „Angeber“, brummte Theo. „Demnächst erzählt er, er hätte Zappa höchstpersönlich getroffen.“ – „Bullshit. Jeder weiß, dass Zappa mausetot ist“, sagte Petris, während er uns das Bier hinstellte. „Phh“, machte Theo: „Es gibt auch Leute, die behaupten, dass Elvis und John Lennon noch leben.“ – „So ist es“, rief Raimund begeistert, „sie leben! In den schweren Herzen alter Männer.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“