Die Wahrheit: Renntier Hund
Neues aus Neuseeland: Aotearoa ist eines der letzten Länder auf der Welt, wo der Hundewettkampf für Wettfreunde noch erlaubt ist – noch.
S panien hat Stierkämpfe, Kiwis haben Greyhound-Rennen: eine hochprofitable Tierquälerei mit langer Tradition und scheinbar hohem Unterhaltungswert, beides immer umstrittener. Neuseeland ist eines der letzten sechs Länder auf der Welt, wo der Hundewettkampf für Wettfreunde noch erlaubt ist. Wird dort jetzt auch die finale Bastion angelsächsischer Freizeitkultur fallen?
Ursprünglich wurden Greyhounds zur Hasen- und Wildjagd gezüchtet. Die Rennen sind brutal. Allein seit 2021 gab es tausende von Verletzungen, hunderte gebrochene Knochen und 26 tödliche Unfälle. In einer Saison davor war sogar 67 mal Sterbehilfe an Renntagen nötig. Diesen Mai mussten wieder zwei Läuferinnen eingeschläfert werden, die auf der Hunderennbahn in Christchurch ineinander gerammt waren und sich bei Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 80 Stundenkilometern die Knochen brachen.
Eine Petition der Tierschutzorganisation Safe, die vor drei Jahren 37.000 Unterschriften bekam, führte zwar zu einer Warnung von oben – aber gerannt wird auch nach vier offiziellen Untersuchungen weiter. Der Druck auf Premierminister Christopher Luxon wächst, den „blood sport“ endlich abzuschaffen. Doch Greyhound Racing NZ hält dagegen: „Greyhounds lieben es, zu rennen. Es gibt keinen Grund, den Sport zu verbieten.“
Somit ist mal wieder Winston Peters auf den Plan gerufen. Der rechte Haudegen und Kopf der nationalpopulistischen Partei NZ First, bereits als Außenminister berüchtigt, ist obendrein auch Minister für Rennsport – und in dieser Rolle als Freund der Pferde- und Hundelobby bekannt. Doch das ist noch nicht das ganze Ausmaß des grauhündischen Dilemmas. Da es so viele ramponierte Renntiere in Neuseeland gibt, floriert jetzt der weltweite Adoptionshandel mit den ausrangierten Überlebenden. In diesem Jahr wurden erstmals 14 Greyhounds ins Flugzeug verpackt und nach Chicago ausgeflogen – ein neues Umsiedlungsprogramm von Greyhound Racing NZ. Dort kommen die ramponierten Frührentner bei Pflegefamilien unter.
Für Tierschützer ist das umstrittene „American Rehoming Project“ ein weiterer Beweis, dass die Hunderennen ausgedient haben: Sie hinterlassen so viele Opfer, dass diese im Ausland entsorgt werden. Das Ganze ist jedoch noch viel prekärer. Denn seit das Adoptionsprogramm läuft, steht auch der Vorwurf im Raum, dass es sich dabei nicht nur um eine humanitäre Geste, sondern auch um verbotenen Tierexport handelt.
Zwischen den ausgedienten Kötern namens Replica Rascal, Big Time Rita und Spending Frenzy befanden sich auch drei weitere Richtung Chicago, die angeblich noch nie an Rennen teilgenommen hatten: Norman, Smokey und Lily. Ob Peters auch von ihnen weiß? Unbequeme Pressefragen wimmelte der Minister ab: „Ich bin dran, okay?“ Woran genau, weiß man nicht. Vielleicht am Tippzettelausfüllen beim Buchmacher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?