Die Wahrheit: Eigentlich ganz nett
So ist er, der Frauenfreund, nein, nicht gewalttätig, sondern impulsiv, ein ganz normaler Mann eben, mit einer Freundin im Krankenhaus.
I ch bin eigentlich ganz nett. Das kannst du nicht wissen, wenn ich auf der Autobahn mit Lichthupe an deinem Heck klebe. Aber eigentlich bin ich ganz nett, auch wenn ich dich manchmal anbrülle. Das liegt dann daran, dass ich so empfindsam bin, mir gehen manche Sachen einfach furchtbar auf den Wecker. Ich glaube, „hypersensibel“ ist das richtige Wort. Magst du das mal schnell für mich nachschlagen? Und noch ein Bier holen gehen unten an der Tanke? Ein bisschen zackzack?
Es liegt wohl an der Erziehung, dass ich eigentlich ganz nett bin. Natürlich, mir wäre es auch lieber, ich könnte mich im Restaurant wie ein normaler Mensch benehmen, statt die Kellnerin herablassend anzublaffen. Mich setzt die Gegenwart anderer Leute eben unter einen enormen Druck, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Aber eigentlich bin ich ganz nett.
Das ist oft das Problem, dass man sich heutzutage nicht mehr so richtig aufeinander einlassen will, hinter die Kulissen gucken. Ein falscher Blick, ein falscher Spruch, ein falscher Handgriff, und schon gehen die Rolladen runter bei vielen Leuten. Ich sage halt gerne, was ich denke, bin eher so der direkte Typ.
Im Büro halte ich mich deshalb schon zurück. Dort wissen zwar alle, dass ich eigentlich ganz nett bin, aber darauf ankommen lassen will ich es nicht. Meistens vermeide ich auch Betriebsfeste, überhaupt die Sauferei. Es soll Leute geben, die werden eher so emotional, wenn sie betrunken sind. Ich eher nicht, bei mir kommt dann, wenn mir jemand dumm kommt, schnell das Tier raus. Ich bin halt, wie ich bin.
Dann merkt man noch weniger als sonst, dass ich eigentlich ganz nett bin. Ich fände es aber auch irgendwie eitel, das ständig raushängen zu lassen. Eigentlich könnten die Leute sich auch denken, dass ich eigentlich ganz nett bin. Zum Beispiel packe ich gerne mal mit an, wenn’s irgendwo was anzupacken gibt. Bin ich sofort dabei. Es sei denn, ich merke, dass ich irgendwie ausgenutzt werden soll. Dann können die Leuten ihre Sofas gerne alleine in den dritten Stock tragen.
Ansonsten aber bin ich ein Mensch, auf den man sich verlassen kann. Wer’s verdient hat, den kann ich aber auch am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Habe ich keine Probleme mit. Was nichts daran ändert, dass ich eigentlich ganz nett bin.
Wenn ich etwas hasse, dann strukturelle Gewalt gegen Frauen. Allein der Gedanke macht mich total aggressiv. Weil ich eben impulsiv bin, eher so der Künstler. Stimmt’s oder habe ich recht? Bestätigt dir jeder. Sogar meine Exfreundin, und die muss es wissen. Habe nie die Hand gegen sie erhoben. Nie! Als die neulich in der Notaufnahme nach ihrem Nasenbeinbruch gefragt worden ist, hat sie das, finde ich, eigentlich ganz gut ausgedrückt, wie das war mit dem Kopfstoß, eher so ein Reflex, und dass ich eigentlich ganz nett bin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr