Die Wahrheit: Baccarat-Pogo in der Punkagner Bar
Die Nische zwischen Punk und anständigem Trinken muss endlich besetzt werden. Gut, wenn es schon einen dunklen, muffigen Kellerraum für die Bar gibt.
B eim Konzert der großartigen Düsseldorfer Altpunkband „Östro 430“ in einem Berliner Punkclub bekam ich neulich einen verkorkten Sekt serviert. Was einerseits passt – denn wieso sollte ein Club, dessen türlosen vollgesprühten Toilettenräume mit Teekerzen beleuchtet sind, damit man die Pissflecken auf dem Boden nicht sieht, ausgerechnet einen frisch-fruchtigen Winzersekt mit dem Bouquet von Meunier-Trauben aus der Schiefersteillage am Südhang kredenzen?
Andererseits schützt Punker sein vor Geschmack nicht. Im Gegenteil. Zwischen den Östro-Hits „Sexueller Notstand“ und „Alte Männer“, die auch inhaltlich zusammenhängen, pogte ich also mit meinem Glas zum Tresen, und schrie dem mit einem wilden Vintage-Tapetenmuster ganzkörpertätowierten Barmann in seinen Flesh-Tunnel zu: „DER SEKT HAT KORK!!!“ Der Barmann nahm mir das Glas aus der Hand, roch kurz dran, nickte mir dann entschuldigend zu, und öffnete anstandslos eine neue Flasche. Die war dann einwandfrei.
Das unterstützt meinen lang gehegten Traum, die Nische zwischen Punk und Haute Boire, dem anständigen Trinken, zu besetzen. In meinem Mietshaus gibt es nämlich einen dunklen, muffigen, recht vermüllten Kellerraum, der sich hervorragend für eine neu zu eröffnende „Punkagner Bar“ eignen würde. Man müsste nicht mal aufräumen oder renovieren. Die schmuddeligen Steinwände sind schalldicht und lassen sich gut mit Stickern und Postern bekleben; zum Pinkeln geht man vor die Tür oder nutzt eine Ecke im ebenso düsteren Heizungsraum. Als Tresen stapele ich ein paar leere Champagnerkisten, und lege ein Brett darüber.
„Too drunk to fuck“
Eine Playlist habe ich schon erstellt, von „Too drunk to fuck“ von den Dead Kennedys über „Kiss me I’m shitfaced“ der irischen Hardcore-Band DKM bis hin zum der Baratmosphäre überaus angemessenen „I wanna be an Alcoholic“ der kalifornischen Punkrocker NOFX ist alles dabei. In Sachen Pogen bin ich noch unentschlossen, denn solange es keinen Dosenchampagner gibt, bleibt die Frage nach den Trinkgläsern ungeklärt: Es wäre natürlich sehr punkig, die Pompadour-Champagnerkelche aus Baccarat-Kristall beim Herumspringen tüchtig an die Wände zu schmettern, auf der anderen Seite kostet das Modell „Noblesse“, das ich favorisiere, 87 Euro pro Stück. Ich bin aber nicht sicher, wie überzeugend die Bank beziehungsweise die Winzerei meinen Businessplan findet.
Zumal der Champagner im Ausschank nicht exorbitant teuer werden kann: Mehr als „’ne Mark“ darf er nicht kosten. Da wird es helfen, dass zumindest der Personalaufwand sich finanziell in Grenzen hält. Eine Reinigungskraft kann ich mir eh sparen, und Igel, Krätze und Ratte haben zugesagt, gegen Getränke zu arbeiten. Sie sind absolute Champagnerfans, und haben schon im Mukkefukk im Servicebereich gearbeitet. Und wenn sie nach ihrer Schicht einmal zu müde sein sollten, können sie auch hier pofen.
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