Die Wahrheit: „Ich lebe in Saus und Braus!“

Das Wahrheit-Interview: Ein leerreiches Gespräch mit einem gläsernen Fabelwesen, dem Pfandschlupf.

Dosen im Müll

Machen den Pfandschlupf reich: Dosen im Müll Foto: AP

Der Pfandschlupf ist gemeinhin wenig bekannt, es heißt, er sei die Differenz zwischen eingenommenem und ausgezahltem Mehr- oder Einwegpfand bei allen Getränkeverpackungen. Geht beispielsweise eine Bierflasche kaputt oder das Etikett ist nicht mehr auslesbar, kann das Pfand nicht mehr ausgegeben werden. Was kaum jemand weiß: Das Pfand ist dann nicht verloren, sondern fließt in die großen Taschen des Pfandschlupfs. Ein Wesen, das wir auf dem Parkplatz des Edeka-Markts in Hamburg-Eidelstedt treffen. Leider haben wir uns ein wenig verspätet.

Pfandschlupf: Wir hatten Punkt sechs Uhr gesagt! Das mag für Sie nicht wichtig sein, aber für mich gilt: Zeit ist Pfand – und das gibt zumindest mir keiner mehr zurück. Also los!

taz: Entschuldigung, die Bahn hatte Verspätung. Herr … äh, Frau … äh, wie sollen wir Sie eigentlich anreden?

Schlupf, Pfandschlupf, heiße ich.

Dann also: Pfandschlupf. Würden Sie unseren Lesern erläutern, wer oder was Sie sind?

Was ich vor allem bin: in Eile!

Na denn: Wie läuft das Geschäft?

Ganz okay! Für mich ist da momentan ein guter Schluck drin. Es fallen jede Menge kaputte Dosen an, bei denen die Codes nicht mehr lesbar sind. Und dann freut mich diese immer weiter um sich greifende Wegwerfkultur. Vor allem aber das hippe Dosenstechen ist Bodensatz auf meine Mühlen.

Aber das ist ja nicht neu, das habe ich schon im Studium gemacht.

Wirklich? Sie sind mir aber eine verdammt leere Flasche!

Ähhm, danke? Aber zurück zum Thema: Wie viel kommt bei Ihrem Geschäftsmodell denn so rum?

Das wüssten Sie wohl gern, ha! Aber ich neige dazu … „neige“, verstehen Sie?

Äh, ja …

Also ich neige nicht dazu, meine Geschäftspraktiken einfach in aller Öffentlichkeit auszuschütten. Sonst könnte ja jeder kommen und einen Weg finden, irgendwie das Pfand doch noch zu extrahieren und meinen Job in die klebrigen Hände zu nehmen.

Was machen Sie eigentlich mit dem ganzen Geld?

In Saus und Braus leben! Was sonst? Aber selbstverständlich reinvestiere ich auch viel: Ich sorge dafür, dass mehr tollpatschige Menschen in Brauereien arbeiten. Ich sponsore Junggesellenabschiede und Polterabende. Ich pflege Katzen, schiebe Flaschen an den äußersten Tischrand, zerkratze Barcodes und so weiter. Mein feuchter Traum ist es aber, dass das Pfandsystem europaweit eingeführt wird.

Das wird ja aktuell diskutiert. Aber sind Sie eigentlich mit den Kobolden verwandt?

Ach, hören Sie mir mit der buckligen Verwandtschaft auf. Die haben eins nicht verstanden: Es heißt, sich anpassen oder untergehen, Pfand selbst zurückgeben oder selbst zurückgegeben werden, zurück ins Reich der Mythen und Banderolen. Leute zum Niesen bringen, alten Käuzen beim Schreinern helfen, wo ist denn da das Growth Mindset?

Sie sind also sehr von Ihren Fähigkeiten und Stärken überzeugt?

Sicher. Aber ich bin auch Traditionalist. Ich treibe auch gern in ganz gewöhnlichen Häusern mein Unwesen. Fragen Sie mal meine Mieter, hahaha!

Andere Fabelwesen werden geliebt, Sie sind die Verkörperung eines finanziellen Anreizsystems. Stört Sie das gar nicht?

Sind wir hier beim Scherbengericht, oder was? Nein, stört mich nicht! Außerdem: Was machen denn andere Wesen? In Märchen zum Beispiel: Bringen die böse Königin um die Hecke, natürlich nuuuur aus Liebe zur Prinzessin, nicht um das Schloss zu kriegen. Dazu kommt: Wer glaubt heute noch an Elfen? Trolle, vielleicht. Die respektiere ich. Ich selbst aber bin nicht Mehrweg zu denken.

Den Witz pfand ich aber …

Hallo! Pfand-Witze sind mein Metier. Noch so einen, und es gibt nur noch Einweg für Sie: ins Reich der Pfandtasie! So macht man das!

Ist ja gut! Haben Sie noch ein letztes Wort?

Ja. Als magisches Wesen verspreche ich Ihnen: Aller Aberglaube ist Humbug, nur eine Sache stimmt: Scherben bringen Glück. Mir jedenfalls, ha!

Lieber Pfandschlupf, wir danken Ihnen für das aufschlussreiche Gespräch.

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kari

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