Die Wahrheit: Bombige Kampagne in Kyjiw
Am irischen Nationalfeiertag düsen irische Politiker lieber nach Übersee. Dabei wären sie in der Ukraine ganz gut aufgehoben.
W ohin mit den Touristen? Irland bereitet sich auf die neue Fremdenverkehrssaison vor, aber in den Hotelbetten liegen ukrainische Flüchtlinge. Die sollen Ende des Monats ausziehen, die Regierung will sich um Alternativen kümmern. Das aber bekümmert die Flüchtlinge, denn die Regierungspolitiker haben es seit Jahrzehnten nicht geschafft, irgendetwas gegen die Wohnungsnot zu unternehmen. Mehr als 11.000 Obdachlose sind Zeugen.
Irland hat bisher rund 80.000 Menschen aus der Ukraine aufgenommen, rund die Hälfte von ihnen wohnt in Touristenunterkünften. In unserem Nachbarort Lisdoonvarna mit 800 Einwohnern sind 1.400 Ukrainerinnen und Ukrainer untergebracht, denn der Ort verfügt wegen des berühmten Heiratsmarktes, der jeden September stattfindet, über jede Menge Hotels. Insgesamt sind weit über 700 Hotels mit Kriegsflüchtlingen belegt.
Der Geschäftsführer des Rats der irischen Tourismusindustrie, Eoghan O’Mara Walsh, sagt, die Regierung müsse gefälligst einen „umfassenden Plan“ vorlegen, wie es weitergehen soll. Genauso gut könnte man von Porsche-Lindner verlangen, einen Plan für die Einschränkung des Autoverkehrs aufzustellen.
Knalltüten gibt es auch zur Genüge in den irischen Ministerien. Sie haben Geld in eine Werbekampagne investiert. Auf riesigen, beleuchteten Plakaten werden Sehenswürdigkeiten wie die Cliffs of Moher, der Rock of Cashel und der Giant’s Causeway angepriesen – in ukrainischer Sprache. Die Plakate hängen nämlich in den U-Bahnhöfen von Kyjiw, wo die Menschen Schutz vor den russischen Bombenangriffen suchen.
Eine Botschaft!
Wenn man den QR-Code auf den Plakaten scannt, gelangt man auf die Facebook-Seite des irischen Außenministeriums. Da kann man sich die Zeit vertreiben, bis die Bombenangriffe aufhören. Ein Sprecher des Außenministeriums behauptete, die Werbekampagne solle keineswegs den Tourismus ankurbeln, sondern eine Botschaft anlässlich des irischen Nationalfeiertags, des St. Patrick’s Day am vorigen Freitag, verkünden: Irlands Solidarität mit der Ukraine. Wie bekloppt kann man sein?
Die Plakate wirken wie ein gestreckter Mittelfinger: Ätsch, schaut mal, wie schön es bei uns ist, während euer Land in Schutt und Asche liegt. Als ob die Iren auf den U-Bahnhöfen in Kyjiw nicht schon genug Unheil angerichtet haben. Voriges Jahr tauchte plötzlich die Dubliner Combo U2 auf dem Bahnhof Chreschtschatyk auf und belästigte die kriegsgebeutelten Schutzsuchenden 40 Minuten lang mit ihren Schlagern.
Irlands Politiker sind zum St. Patrick’s Day hingegen in die USA geflogen, und zwar alle. Könnte man die ganze Bagage auf dem Rückweg nicht nach Kyjiw schicken, wo sie auf den U-Bahnhöfen untergebracht werden? Die leeren Regierungsgebäude kann man für Geflüchtete und Obdachlose nutzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation