Die Wahrheit: Fruchtsaftpräsident in klarem Wasser

Ausgerechnet in einem irischen Pub trat Joe Biden, der stocknüchterne Besuch aus Übersee, ins Fettnäpfchen.

Sogar die Queen hat bei ihrem Irlandbesuch wenigstens daran genippt. US-Präsident Barack Obama hat zügig ein ganzes Pint hinuntergestürzt. Joe Biden aber ist Abstinenzler und hat während seines viertägigen Aufenthalts auf der Insel kein Guinness angerührt. Und so einer will Ire sein? Aber er war immerhin im Wirtshaus, und zwar im Windsor Pub. Das war eine Geste für die königstreuen nordirischen Unio­nisten, aber Biden machte sie sogleich wieder zunichte.

Er gratulierte in der Kneipe seinem entfernten Cousin Rob Kearney und dessen irischer Rugbymannschaft, weil sie „die Black and Tans so vernichtend geschlagen“ haben. Er meinte die All Blacks, das neuseeländische Team. Die Black and Tans waren eine englische Söldnertruppe, die im Unabhängigkeitskrieg vor gut 100 Jahren Angst und Schrecken verbreiteten, aber am Ende wie die Neuseeländer eingemacht wurden. „Black and Tan“ heißt auch ein Getränk, es ist eine Mischung aus Guinness und hellem Bier, aber das interessierte den Fruchtsaftpräsidenten nicht.

Irlands Präsident Michael D. Higgins hingegen ist Alkohol nicht abgeneigt. Früher, als er an der Indiana University in den USA studierte, hat er auch gekifft, aber das wusste Biden nicht, als er Higgins am Donnerstag im Dubliner Phoenix Park besuchte. Der Park, in dem auch der US-Botschafter wohnt, ist mit mehr als 700 Hektar eine der größten innerstädtischen Parkanlagen der Welt. Der Central Park in New York ist nicht mal halb so groß.

Vor Bidens Besuch musste der Park aufgeräumt werden. Die rund 600 frei herumlaufenden Rehe und Hirsche, deren Vorfahren dort 1660 angesiedelt wurden, mussten wie die Tiere im Zoo, der ebenfalls im Park liegt, gewaschen und geföhnt werden. Die Wiesen wurden gemäht, das Unkraut wurde gejätet und die Obdachlosen wurden vertrieben. Man wollte schließlich einen guten Eindruck machen, und den hätten die Obdachlosen mit ihren Zelten ruiniert.

Nach seinem Fauxpas mit den Black and Tans befürchtete man, dass Biden im Park eine Bemerkung über den Phoenix aus der Asche machen würde. Der war das Symbol der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), als sie sich 1969 neu formierte und wie der Vogel aus der Asche der abgefackelten katholischen Viertel Belfasts wiederauferstanden ist. Der Park ist aber nicht nach dem Tier benannt, sondern es ist die anglisierte Form des irischen Begriffs „Fionn Uisce“, was „klares Wasser“ bedeutet.

Biden dürfte sich bei Higgins wie zu Hause gefühlt haben, denn das Weiße Haus in Washington ist vom irischen Architekten James Hoban entworfen worden, der Áras an Uachtaráin – den neoklassizistischen Amtssitz der irischen Präsidenten – als Vorbild genommen hatte.

Seit dem Wochenende ist Biden wieder zu Hause und schaut sich immer wieder das Video vom Sieg gegen die Black and Tans an, das ihm sein Rugby-Cousin geschenkt hat.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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