Die Wahrheit: Ein Kurt für alle Fälle
Unterwegs mit Berlins Top-Kopfgeldjäger für Abgeordnete aller Art in freier Wildbahn. Ein gefährliches Unterfangen, eine exklusive Wahrheit-Recherche.
Auf der Inspektionsrunde durch das Berliner Zentrum hat Kurt Sievers plötzlich etwas gesehen. Der bärtige Mann mit der kugelsicheren Weste und dem muskulösen Oberkörper reißt das Steuer herum. Begleitet von wütendem Motorengeheul durchbricht sein wuchtiger SUV den Zaun vor dem Volkspark Friedrichshain und schlingert zwischen Spaziergängern und Sonnenanbetern über das Gras. In der Nähe des Märchenbrunnens kommt das 350 PS starke Gefährt schließlich mit einer letzten Drehung zum Stehen.
Sievers steigt aus und steuert zielstrebig auf einen am Boden kauernden Mittdreißiger zu, der beim Abbeißen von seinem Döner vor Entsetzen erstarrt ist. Bevor der arme Kerl überhaupt weiß, wie ihm geschieht, klicken schon die Handschellen. Wenig später wartet der Delinquent über die Motorhaube des SUV gebeugt auf die Überprüfung seiner Personalien.
„Kai-Malte Steffens, Bündnis 90/Die Grünen“, fasst Spürnase Sievers für uns noch mal die Eckdaten seiner „Person of Interest“ zusammen. „Sollte sich genau in diesem Moment in einer Abstimmung des Deutschen Bundestages zum ‚Chancen-Aufenthaltsrecht‘ befinden und wurde vor zehn Minuten als ‚unentschuldigt fehlend‘ gemeldet. Tja, Pech gehabt, Freundchen!“
Der gebürtige Spandauer Sievers verfrachtet seinen jüngsten Fang unsanft auf die Rückbank. Direkt daneben schmollt bereits eine Delegierte der CSU, die Sievers gerade erst bei Weißwurst und Hefeweizen in einem Biergarten erwischt hatte. Der 49-jährige „Bounty Hunter“ ist direkt der Bundestagspräsidentin unterstellt und treibt im Auftrag des Parlaments sitzungsmüde Abgeordnete sämtlicher Parteien im Berliner Stadtgebiet auf. Am heutigen Freitag hat er besonders viel zu tun.
Beschämte Mandatsdrückeberger
„Mit einem langen Wochenende vor der Nase möchte sich so mancher schon früher ins Privatleben verabschieden“, bellt Sievers in Richtung der beschämten Mandatsdrückeberger. „Aber nicht in meiner Schicht, verstanden?“
Nachdem wir die schwarz-grünen Ausreißer an der Bundestagspforte dem Sicherheitsdienst übergeben haben, dürfen wir die Streifenfahrt mit Sievers fortsetzen. Wie er uns erzählt, bezahlen geschnappte Volksvertreter die Prämie, die auf ihre Ergreifung ausgesetzt ist, bis auf den letzten Cent selbst.
„Die genaue Summe ergibt sich aus dem Betrag im persönlichen Fehlstundenkonto, multipliziert mit dem Faktor 100“, plaudert der Kopfgeldjäger bei der Tour durch die quirlige Hauptstadt aus dem Nähkästchen. Sein großer Traum sei es daher, nur ein einziges Mal die ständig abgängige Sahra Wagenknecht dingfest zu machen. Vom fürstlichen „Finderlohn“ könnte Sievers anschließend in Saus und Braus auf den Bahamas leben.
Als wir bei Rot vor einer Fußgängerampel halten, watschelt zufällig Franziska Giffey mit einem Eis in der einen und einem Bündel bunter Tragetaschen in der anderen Hand über die Fahrbahn. Bedauerlicherweise sei er in diesem Fall nicht zuständig, seufzt der Abgeordnetenhäscher. Während wir weiterfahren, verständigt er netterweise per Funk den Kollegen in Diensten des Berliner Senats, damit er die SPD-Politikerin gleich vor ihrem Lieblingscafé in Berlin-Mitte einkassieren kann.
„Unter allen 736 Mitgliedern des Bundestags ist Armin Laschet übrigens der einzige Abgeordnete mit Dauerfreigang“, füttert uns der Fugitive Recovery Agent weiter mit Insiderwissen. „Aufgrund der bestehenden Härtefallregelung und des erlittenen Söder-Traumas während seiner Kanzlerkandidatur darf er kommen und gehen, wann er will.“
Sahra Wagenknecht einfach so auf einer Bank
Sievers würde uns gern noch mehr Geschichten aus dem Politbetrieb erzählen, doch plötzlich wird er Zeuge von etwas Unglaublichem. Sahra Wagenknecht, Berlins unangefochtene Blaumacherkönigin, sitzt in der Nähe des ZDF-Hauptstadtstudios einfach so auf einer Bank und blättert seelenruhig in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ob der linke Friedensengel gerade ein Interview gegeben oder zum tausendsten Mal an einer Talkshow teilgenommen hat, ist dem Staatsdiener wurscht. Er will das schmale Zeitfenster für eine Frührente im sonnigen Süden unbedingt nutzen und fährt vorsichtig rechts ran.
Als er mit zittrigen Fingern im Handschuhfach nach Fußschellen und Lasso fummelt, wartet der Bordcomputer mit einer rot blinkenden Eilmeldung auf. Sahra Wagenknecht hat soeben eine neue Partei gegründet, die allerdings leider noch nicht im Bundestag vertreten ist. Zugriff untersagt!
Nachdem der sonst so knallharte Sievers sich von seinem minutenlangen Weinkrampf erholt hat, wirkt er entschlossener als je zuvor. Weil in Kürze im Parlament eine staubtrockene Sitzung zum Thema „Änderung des Bundeszentralregistergesetzes“ ansteht, will er zumindest noch den uralten Verhaftungs-Tagesrekord angreifen. Wir rüsten uns für einen wilden Ritt.
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