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Die WahrheitHamburg-Hygge

Tagebuch einer Schlenderin: Der Fußgängerweg, der eigentlich zu Recht Bürgersteig heißt, ist in der Hansestadt zu einem Trottelparadies verkommen.

W enn Autofahrer pöbeln, bis die Frontscheiben beschlagen, nennt man das „Road Rage“, ich hingegen leide unter „Sidewalk Rage“, also Bürgersteigwut, bei mir beschlägt höchstens die Brille.

Eigentlich habe ich nichts gegen unschuldige Fußwege, so wie Autofahrer ja auch nichts gegen Straßen haben, sondern gegen andere Autofahrer. Fußwege wären eine zivilisatorische Errungenschaft, gäbe es nicht Menschen jeden Alters, die auf E-Scootern, Fahrrädern und pädagogisch wertvoll laubgesägten Kinderrollern verträumte Schlenderer jagen. Das Leben ein Hindernislauf, immer kurz vor der Karambolage. Ich sollte mir ein Schild umhängen: „Klingeln zwecklos, bin taub.“

Die verschärfte Gehwegvariante fand ich neulich in Hamburg. In Eppendorf, das über Jahre vom ehemals abgerockten Boheme-Stadtteil zur dauerhaften Partyszene für Immobilienspekulanten mutiert ist, schlug ich mich in einer privaten militärischen Übung durch besetztes Gelände. Sehr junge Menschen in sehr teuren Markenklamotten lümmelten sich an schimmelpilzartig die Gehwege überziehenden Gastronomietischen und schlürften Aperol Spritz wie in Kitzbühl beim Après-Ski. Sie trugen dabei diesen selbstgefällig verächtlichen Elon-Musk-Ausdruck im Gesicht, der einem das Gefühl gibt, man sei ein störendes Insekt, das sich durch ein Loch im Moskitonetz in eine fremde Bubble verirrt hat.

Es gibt durchaus Leute wie mich, die können Sekt und Aperol trinken und dabei nett aussehen, nicht jedoch diese Jeunesse dorée, die lieber um den Preis für gelangweilte Blasiertheit wetteifert. Vermutlich haben sie das gar nicht mal vom Cheftrottel („Chief Twit“) Musk, sondern von ihren Eltern, die auch ziemlich full of themselves sind. Die meisten von denen machen natürlich irgendwas mit Immobilien oder Investitionen und finden den Elon toll, weil er so super Sachen kann wie Geldmachen, denn das steht ganz oben auf ihrer Lebensleistungsliste.

Gleich hinter der mäandernden Aperol-Austern-Meile baumelten beim ehemaligen Traditionsschlachter ganze Dry-Aged-Rinderhälften im Fenster, daneben lag ein Restaurant mit dem unmissverständlichen Namen „Entre Nous“, das exklusive Entrecôte kann dort ungestört von vulgären Bulettenessern gekaut werden.

Wahrscheinlich braucht man demnächst auch eine Clubmitgliedschaft, wollte man noch all die hyggemäßigen Cupcake-Läden, elbgoldigen Cafés und tüllverstopften Brautkleidshops besuchen, die zu einem gehobenen Leben auf der FDP-Überholspur dazugehören. Wenn man nicht vorher von einem E-Roller oder Luxusfahrrad niedergemäht wird.

Erschöpft fand ich einen verbliebenen Normalobäcker mit ehrlichem Filterkaffee. „Ich bekomme …“, forderte der Boss-von-was-Wichtigem vor mir in der Schlange, und die nette Bedienung zuckte nicht mit der Wimper. Gott gebe ihr Langmut, Entschädigungstrinkgeld und einen sicheren Heimweg.

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Pia Frankenberg
Lebt und arbeitet als Filmregisseurin, Drehbuch- und Romanautorin in Berlin. Schreibt in ihren Kolumnen über alles, was sie anregt, aufregt oder amüsiert
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5 Kommentare

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  • Juri R1. But.

    Wen wundert’s? - wa.



    Es gibt schließlich nich umsüß - doch doch



    Den Eppendorfer (ärzte) Kittel -



    www.original-eppen...tel-fuer-damen/Das



    Für Damen & für Herrn - ditt hamse gern!



    Und Eppendorf Hemden & xtra Knöpfe



    www.original-eppen...noepfe-silber-set/



    Ditt hamse gern die herrndamschen Dr.Tröpfe!



    Und Ringelnatz1 sagste Mett? ME mann!



    Da darf der Aufkleber - bei aller Seelen



    “Eure Armut kotzt mich an“ nich fehlen!“

    • @Lowandorder:

      Wenn ich diesen Visitenmantel



      www.original-eppen...mantel-fuer-damen/



      trage kann ich den Mettigel gemeinsam mit der Visitenmantelträgerinn nur so in mich reinstopfen oder wir bewerfen uns.

  • So sieht‘s mal aus…



    Scharf beobachtet, wunderbar ausgedrückt, man fühlt sich mittenmang dabei, Berliner Schule eben.



    Apropos Berlin: jetzt ab zum Gesundbrunnen, in die Schönstedtstraße auch und zum Leopoldplatz, dorthin, wo die Matratzen liegen, die Essensreste, die Flaschen und die Spritzen… Kontrastprogramm vom Feinsten, auch das ist die Wirklichkeit und macht in der Summe die Gesichter einer Großstadt aus.

  • Dit is juti!



    Allet richtich.



    ... hyggemäßigen Cupcake-Läden, elb(spree)goldigen Cafés und tüllverstopften Brautkleidshops...



    Natürlich allet och übertragbar offen Prenzelberg.



    Das waren noch Zeiten als es den Schusterjungen und Hackepeter, zwei Kneipen, gegenüber gab.



    Da wurdeste höchstens inner Kneipe niedergemäht!



    ...der einem das Gefühl gibt, man sei ein störendes Insekt, das sich durch ein Loch im Moskitonetz in eine fremde Bubble verirrt hat.....



    Auch die Fressen der o. beschriebenen jungen Menschen jenau, jenau, konkrument och hier.



    Hackepeter ha..



    www.ddr-museum.de/...infach-und-schnell



    „Hacki unser Bäcker, bei dem schmeckt’s immer lecker“



    www.bz-berlin.de/b...eckts-immer-lecker



    Hab ick och in den 80zigern angestanden.

    • @Ringelnatz1:

      Bürgersteig1:



      Wo Der Bürgersteig Endet



      Es gibt einen Ort, an dem der Bürgersteig endet



      und bevor die Straße beginnt,



      und dort wächst das Gras weich und weiß,



      und dort brennt die Sonne purpurrot hell,



      und dort ruht der Mondvogel von seiner Flucht



      im Pfefferminzwind abkühlen.

      Verlassen wir diesen Ort, an dem der Rauch schwarz bläst



      und die dunkle Straße windet und biegt sich.



      Hinter den Gruben, in denen die Asphaltblumen wachsen



      Wir werden mit einem Schritt gehen, der gemessen und langsam ist



      und beobachte, wohin die kreideweißen Pfeile gehen



      zu dem Ort, an dem der Bürgersteig endet.

      Ja, wir gehen mit einem gemessenen und langsamen Spaziergang.



      und wir werden gehen, wohin die kreideweißen Pfeile gehen,



      für die Kinder markieren sie, und die Kinder wissen sie,



      der Ort, an dem der Bürgersteig endet.

      Shel Silverstein