Die Wahrheit: Haufenweise ungelöste Fälle
Im Kampf gegen vierbeinige Kriminelle haut die Polizei jetzt richtig auf die Kacke.
Vor dem schlichten Reihenhaus im Dortmunder Stadtteil Körne spielen sich dramatische Szenen ab. Hundehalterin Helga Kowalski sinkt neben dem Ermittlerteam der „Spezialeinheit Hasso“ auf die Knie und fleht Hauptkommissar Zöller an, ihrem Bronzo eine allerletzte Chance zu geben.
Doch alles Weinen und Betteln ist vergebens. Der treudoof hechelnde Labrador wurde per DNA-Analyse eindeutig als „Scheißer vom Ostfriedhof“ identifiziert und wird in der Hundevollzugsanstalt Hombruch eine mehrmonatige, in Hundezeit gemessen sogar mehrjährige Haftstrafe antreten müssen.
Fred Zöller, Leiter der Sondertruppe, Profiler und Hundefänger in Personalunion, meistert die Situation routiniert. Der 53-Jährige, den wir bei seiner Arbeit begleiten dürfen, deeskaliert behutsam und bittet das aufgelöste Frauchen, dem sechsjährigen Rüden ein paar Leckerchen für den Weg und sein Lieblingsspielzeug zu holen.
Derweil verfrachtet der Ordnungswächter den dämlich schwanzwedelnden Bronzo in die Transportbox und fordert uns zum Einsteigen auf. Während man die rüstige Rentnerin durch das Küchenfenster hektisch in Schränken kramen sieht, startet Zöller den Motor und braust mit quietschenden Reifen davon. Als hätte er unsere Gedanken gelesen, senkt der Tier-Kriminalist per Knopfdruck alle vier Fenster, öffnet das Handschuhfach und wirft uns FFP3-Masken sowie einen Vorratspack Bergamotte-Eukalyptus-Duftbäume auf die Rückbank.
Die Töle ist das Böse
„Lassen Sie sich vom knuffigen Äußeren nicht täuschen“, warnt Zöller. „Die Töle ist das ultimative Böse. Die Gelegenheit, in einem Polizeiauto Straftaten zu verüben, wird sich das Biest nicht lange entgehen lassen. Warten Sie’s ab.“
Tatsächlich vergehen nur wenige Sekunden, bis sich im Innenraum ein pestilenzartiger Gestank verbreitet. Im Kampf gegen Übelkeit und Brechreiz verlieren wir für kurze Zeit das Bewusstsein. Als wir wieder zu uns kommen, scheint Bronzo uns über den Rückspiegel mit gebleckten Zähnen anzugrinsen. Wie wir von Zöller erfahren, hat der Vierbeiner als kackendes Phantom die Spezialeinheit über Jahre buchstäblich in Atem gehalten.
„Der Teufel war immer einen Schritt schneller als wir und hat ständig zwischen sämtlichen Liegewiesen im Dortmunder Stadtbereich rotiert. Auch auf den Kinderspielplätzen in der Umgebung hat sich der kleine Scheißer nie länger als einen Vormittag aufgehalten.“ Als Bronzo nach seiner Schandtat im innerstädtischen Europabrunnen auch noch anfing, in den Beichtstuhl der katholischen Heilig-Geist-Kirche zu defäkieren, war für den Fahnder eine Grenze erreicht.
2 Jahre
„Den kriege ich, habe ich mir geschworen, und wenn es das Letzte ist, was ich tue.“ Ganze zwei Jahre tappte die Taskforce aber weiterhin in weiche Haufen, bis die NRW-Landesregierung eine neue DNA-Datenbank für Gastrointestinalkriminelle anlegte. „Gleich beim ersten Probelauf gab es einen Volltreffer!“, zeigt sich Zöller nach dem größten Fang seiner Karriere zufrieden.
Plötzlich meldet sich die Einsatzleitstelle über Funk. Das Foyer des Museums für Kunst- und Kulturgeschichte ist zum Schauplatz eines Verbrechens geworden. Zöller wendet in einem halsbrecherischen Manöver und lenkt seinen Wagen in Richtung Zentrum, während Bronzo die jaulende Sirene mit Geheul unterstützt.
Am Tatort angekommen bietet sich uns ein Bild der Verwüstung: Die schmucke Eingangshalle ist mit Ausscheidungen in unterschiedlicher Farbe, Größe und Textur verunreinigt. Während kollabierte Museumsbesucher von Rettungskräften mit Sauerstoff versorgt werden, sind Mitarbeiter der Spurensicherung beschäftigt, die Beweismittel mit gelben Nummerntäfelchen zu versehen. Polizeiobermeister Paschke von der Dortmunder Citywache erstattet dem Chefermittler Bericht. „Laut Zeugen ging alles ganz schnell. Zwei Golden Retriever, ein Jack-Russel-Terrier, drei Bulldoggen, ein Mops und ein Neufundländer. Scheinbar hatte der Mops das Sagen, aber die Motivlage ist völlig unklar.“
Am Auto erwartet uns eine Überraschung: Der Kofferraum steht sperrangelweit offen und gibt den Blick auf die leere Transportbox frei. Bronzo ist verschwunden. „So viel zum Motiv“, ist Zöller angesichts des raffinierten Täuschungsmanövers beeindruckt. Die Verfolgung der Meute können wir ebenfalls nicht aufnehmen, da das Rudel den Wagen mit dampfenden Haufen auf allen Sitzen stillgelegt hat. „Die sind eh über alle Berge“, konstatiert der Bulle enttäuscht und verzichtet auf den Einsatz der Hundestaffel, die ohnehin längst von Bronzos Informanten infiltriert ist.
Stattdessen schlägt er uns vor, den Rest des Tages in der „Cold Case“-Abteilung der Sondereinheit zu verbringen, wo ein Haufen ungelöster Fälle darauf wartet, von erfahrenen Spürnasen neu aufgerollt zu werden. Was Hauptkommissar Zöller betrifft, geht der ewige Kampf zwischen ihm und dem Hundeschurken mit Sicherheit schon bald in die nächste Runde.
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