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Die WahrheitAufs richtige Steckenpferd gesetzt

Die Kanada-Woche der Wahrheit: Als Vorreiter im Kampf gegen die Erderwärmung zieht Kanada gekonnt tiefenentspannt die Zügel an.

Illustration: Kittihawk

Wasserkraft, Windkraft und Sonnenenergie reduzieren in Kanada schon lange erfolgreich den CO2-Ausstoß. Doch beim Individualverkehr muss nachgebessert werden. Denn trotz mehr Elektroautos wird zwischen Vancouver und Neufundland immer noch enorm viel CO2 in die Luft gepustet. Umweltaktivisten setzen nun im wahren Sinne des Wortes auf ein neues Pferd: Hobby Horsing. Die Fortbewegung auf dem Steckenpferd ist der nachhaltigste Trend, effizient CO2-Emissionen einzusparen. Dezidiert ist Kanada hier Vorreiter …

Was als skurrile Nischensportart begann, ist in Kanada seit zwei Jahren nun zu einem massenhaften Alltags­phänomen geworden. Steckenpferde im Straßenbild gehören besonders in den größeren Städten einfach dazu. „Wir freuen uns sehr, dass unsere Bewegung so erfolgreich geworden ist“, sagt Jeanette Collet aus Montréal, Klimaaktivistin und Hobby-Horse-Reiterin der ersten Stunde.

Die 32-Jährige hat gerade unter viel Beifall auf einer höchst aufschlussreichen Infoveranstaltung gesprochen. „Zuerst waren es vor allem junge Mädchen, die von unserer Idee begeistert waren“, erläutert sie. „Und die haben nach und nach ihre ganzen Familien davon überzeugt.“ Auf der anderen Straßenseite reitet just jetzt ein distinguierter Endfünfziger im gut sitzenden Anzug den Bürgersteig entlang. Mit der rechten Hand hält er routiniert das Hobby Horse, in der anderen trägt er eine Aktentasche. Er grüßt eine entgegenkommende Dame im Business-Kostüm auf einem rostbraunen Steckenpferd. Ihre hochhackigen Schuhe klappern in fröhlichem Trab über die Gehwegplatten.

Jeanette Collet nickt erfreut: „Hobby Horsing ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“ Viele Menschen in Kanada verzichteten ganz oder zumindest teilweise auf das Auto, um stattdessen auf dem Hobby Horse zur Arbeit oder zu Besorgungen zu reiten. Auch die Wirtschaft des Landes profitiere davon. Die Manufakturen für einfache Hobby Horses schössen ohnehin seit zwei Jahren wie Pilze aus dem Boden, „ und darüber hinaus gibt es Start-ups, die Lasten-Steckenpferde entwickelt haben, damit auch Gepäck oder Einkäufe transportiert werden können“, erzählt Collet. Im Winter werde dann einfach ein Schlitten angehängt. „Und für ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger gibt es Kombinationen aus Steckenpferd und Rollator.“ Die verkauften sich vor allem in ländlichen Gegenden exzellent.

Atwood in den Wäldern

Doch auch Stadtbewohnerin Margaret Atwood (81) soll inzwischen ein solch kombiniertes Hobby Horse ihr eigen nennen. Die Schriftstellerin („Der Report der Magd“) und langjährige Nobelpreisaspirantin engagiert sich seit Jahren für den Klimaschutz und bemerkte vor Kurzem in einem ihrer raren Interviews: „Hobby Horsing ist die Zukunft.“ Damit hat Atwood bereits einen Mini-Boom unter Kulturschaffenden und Literaturfans in aller Welt angestoßen. So sollen bereits Martin Walser und Ulla Hahn auf Steckenpferden im bayerischen Voralpenland gesichtet worden sein. Auch die Frankfurter Buchmesse ist zu Ehren des dies- und letztjährigen Gastlandes Kanada wie selbstverständlich auf den Pferdchentrend aufgesprungen. Sie bietet in den Eingangsbereichen eigens geschmiedete Ringe zum Anbinden von Hobby Horses an.

Trump lehnte beim Staatsbesuch in Kanada den Steckenpferdritt ab, ließ seinen eigenen Hüpfball einfliegen

„Das gibt es bei uns in Kanada inzwischen überall“, fährt Jeanette Collet fort. Die kanadische Regierung hat 2020 sogar ein Gesetz erlassen, das vorschreibt, einen Teil aller öffentlichen Einrichtungen aus Klimaschutzgründen mit Steckenpferden auszustatten.

Nicht zuletzt die berühmte Royal Canadian Mounted Police, die einstmals berittene Polizei des Landes, kehrt damit zu ihren Ursprüngen zurück. „Mit den Hobby Horses sind wir wendiger im Gelände unterwegs als mit unseren schweren Fahrzeugen“, schwärmt Jason O’Leary, Polizeioffizier aus British Columbia. Er und seine Kollegen von der Königlichen Steckenpferdstaffel wurden im Frühjahr 2021 von der Regierung für ihr besonderes Engagement um den Klimaschutz bei der Verbrecherjagd ausgezeichnet. O’Leary tätschelt seinem Hobby Horse Jupiter den Hals und strahlt: „Wir beide sind ein starkes Team!“

Klimaschutz durch HH

Selbst der kanadische Premierminister Justin Trudeau setzt sich höchstpersönlich für Klimaschutz durch Hobby Horsing ein. Mittlerweile zähle das Steckenpferde-Gestüt seiner Familie über 20 Individuen. Der Anfang war aufsehenerregend. „Bei unseren ersten Ausritten 2019 hatten wir noch einen riesigen Pressetross auf den Fersen“, sagt Trudeau stolz und hochexklusiv auf der Terrasse seines weitläufigen Amtssitzes mit zehn Steckenpferdstallungen. „Aber dann hat sich das ganze Land daran gewöhnt, und wir haben viele Nachahmer gefunden.“

Seit einiger Zeit biete man, so Trudeau, auch ausländischen Staatsgästen einen zwanglosen Ritt auf dem Steckenpferd an. Angela Merkel oder auch Papst Franziskus hätten sich dankbar für die Abwechslung gezeigt und „begeistert“ eine Runde auf dem Rasen des Regierungssitzes gedreht. „Die Lockerheit, die dann über die Gäste kommt, hat schon manches Mal bei schwierigen Konsultationen den Knoten zum Platzen gebracht“, sagt der beauhafte Trudeau. Nur Donald Trump habe bei einem Staatsbesuch den Ritt auf dem Steckenpferd abgelehnt und darauf bestanden, per Helikopter seinen eigenen Hüpfball einfliegen zu lassen. „So viel zum Thema Klimaschutz“, schmunzelt Trudeau.

Die Dienstlimousine des kanadischen Premiers bleibt mittlerweile immer öfter in der Garage. Dafür reitet er, stets umgeben von Personenschützern auf eigenen Steckenpferden, gern selbst zu Terminen oder ins Parlament. „Ich will ja mit gutem Beispiel voran…, äh …reiten“, betont Trudeau. Aber Hobby Horsing sei längst noch nicht alles im Kampf gegen den Klimawandel. Führende Forschungsteams der Universität Toronto arbeiteten gerade fieberhaft am Prototyp eines Glühwürmchenkraftwerks.

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8 Kommentare

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  • 1/3 Hobby Horsing - Innovatives Kanada.

    Eine Gesellschaft demonstriert, wie eine Verhaltensweise allein sportlicher Art ihren ursprünglichen Kontext des Vergnügens und der Ertüchtigung verlässt und zur bewusst ausgeübten Anschubkraft für neues umweltbewusstes Verhalten wird. Zunächst von wenigen, welche (…Elche es auch sein mögen) die zukunftsträchtige Tragweite des Tuns erkannt haben, dann im fortschreitenden Lernprozess von vielen. (1) Keineswegs beschränkt sich soziale Innovation auf ein „doing new things“, das „doing things in a new way“ (Joseph Schumpeter) gilt für sie ebenso. (2) Ist herkömmliches „Zu-Fuß-gehen“, nicht längst schon eine Angelegenheit von Minderheiten geworden (3)? Wie den Arbeitslosen, die sich oftmals nicht mal mehr die Reparatur ihres Fahrrades leisten können, (3b) geschweige denn unsozial teure Nahverkehrstarife? (3b) Auf die, die sich deprimiert ihren Weg durch die Großstädte mühsam zu Fuß zu den Jobcentern u. öff. Verwaltungen bahnen müssen oder auf dem Land sich diese Ziele in der nächsten Kreisstadt buchstäblich erwandern – Auf sie schaut der sich vielleicht progressiv links u. umweltbewusst wähnende E-Roller-User beim Vorbeigleiten mit klassistischer Geringschätzung herab. Doch handelt es sich da schon um ein *Umweltbewusstsein + Elektrifizierung = demokratisch-gesellschaftlicher Fortschritt*? Nicht ohne weiteres. Trügerisches Green-Washing kann die Verheißung der Industrie sein, welche z. B. den E-ROLLER als das Missing-Link der Mobilitätsgesellschaft anpreist, wenn sie ihn als den *Wegbereiter der letzten tausend Meter* anpreist. Also so mal eben zum Bäcker, Biobrötchen holen, zum Kiosk, zum Bahnhof u. zurück. Da kommt was zusammen. Dabei drohen uns die ungeplanten Nebenfolgen der Innovation E-ROLLER längst außer Kontrolle zu geraten – nicht nur wenn sie mal „einfach scheiße geparkt“ werden. (4)

  • 2/3 Hobby Horsing

    Jetzt verhelfen die Kanadier einer alten Fortbewegungstechnik zur neuen Blüte. Das fällt das Umsatteln schwer. Wenn die Verwendung des Hilfsmittels Hobby Horse benötigt wird, was soll´s. Kann man da wirklich von einer freiwilligen, massenhaften Infantilisierung der Gesellschaft sprechen, wie manche Sozialpsychologen behaupten? Die alte neue Fortbewegungsart „Zu-Fuß-gehen“ muss erst wieder eingeübt werden. Dafür das Steckenpferd zu verwenden kann durchaus für eine positive Fortentwicklung der Gesellschaft stehen: Das Pferd ist ein Urbild der Menschheitsentwicklung, wie seine zahlreichen Abbildungen in den Höhlenmalereien unserer Altvorderen belegen. Doch steht es auch für historisch überholte Formen der Herrschaft. Noch bis in die Neuzeit hinein waren Pferde sau teuer. Deshalb demonstrierten Kaiser und Könige mit ihnen ihre Macht. Der englische König Richard III. hätte lieber sein Königreich hergegeben, als auf dieses Statussymbol zu verzichten. Shakespeare ließ den Fiesling ausrufen: A horse a horse. My kingdom for a horse! Der erste sagenhafte König Britanniens, Arthur, musste seine Autorität sogar noch ohne Pferd behaupten. Wie ein englisches Historikerteam heraus fand und in Bild-Tonaufzeichnungen rekonstruierte, musste der arme König so tun, als hätte er eines. Eigentlich heldenhaft, wie er so den Sachsen das Angeln bei bringen konnte, was sie schließlich zu den Angelsachsen machte wie wir sie heute kennen. (5)

    King Arthur hatte obendrein mit einer renitenten Landbevölkerung zu kämpfen, die eher auf kommunitaristische Systementwicklung setzte als auf Monarchie. (6) Worüber man sich im Volk aber uneins blieb und es von Arthur monarchistisch geeint wurde. Bis heute steckt in seinen angelsächsischen Nachfahren in allen Ländern des Commonwealth of Nations dennoch eine tiefe Abneigung gegen autoritäre Gängelei und ihre Symbole wie dem Pferd. (6a)

  • 3/3 Hobby Horsing…

    Es ist deshalb auch ein Akt demokratischer Aneignung von Herrschaftssymbolen, wenn man die spöttisch zwischen die Beine nimmt, wie beim Hobby Horsing. Entsprechend wollen politische Akteure da Volksnähe beweisen. Unbestätigten Quellen zu Folge ist man sich allerdings noch uneins im Umgang mit der Bewegung *Be with the caribou by you* – dt. etwa *Mit dem Karibu auf Du*. Diese möchte, dem Beispiel der skandinavischen Samen folgend, das Karibu als Zug- und Lasttier einsetzen. Was zornige Gegendemonstranten schon zu Rufen wie „Das Karibu, das Karibu, das ka… uns unsere Straßen zu“ veranlasste, was beinahe handfeste Auseinandersetzungen mit sich gebracht hätte. Jetzt hofft man auf eine Lösung vermittels parlamentarischer Debatte.

  • LINKS: Hobby Horsing

    (1)Soz. Innovation: de.wikipedia.org/w...Soziale_Innovation Dort: Definition von Katrin Gillwald z. B.: „Soziale Innovationen sind, kurz gefasst, gesellschaftlich folgenreiche, vom vorher gewohnten Schema abweichende Regelungen von Tätigkeiten und Vorgehensweisen. Sie sind überall in gesellschaftlichen Systemen möglich, im Ergebnis Verhaltensänderungen und verwandt aber nicht gleich mit technischen Innovationen“. Zitat aus: Katrin Gillwald: Konzepte sozialer Innovation. WZB paper: Querschnittsgruppe Arbeit und Ökologie. Berlin 2000.

    (2) J. Schumpeter: de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Schumpeter

    (3) TAZ. Die neue Lust am Wandern: Ein potentes Antidepressivum. Mit dem Wandern gewinnen wir Fähig¬keiten zurück, die mit der Beschleunigung des Alltags verloren gehen. taz.de/Die-neue-Lu...bile=1526774400050

    (3a) TAZ Arme zahlen drauf. Die Hartz-IV-Sätze drohen unter das Existenzminimum zu sinken, so ein Gutachten. taz.de/Hartz-IV-Sa...07053&s=Dribbusch/

    (3b) Die „Bicycle Repair Man-Bewegung“ im von soz. Konflikten gezeichneten UK der frühen 1970er Jahre tat viel für den Umweltschutz. Einfache Menschen verhalfen dem Fahrrad wieder zu mehr Akzeptanz, in dem sie sich solidarisch um Reparatur und Beschaffung des Verkehrsmittels bemühten. bibliothek.wzb.eu/pdf/2000/p00-519.pdf Die zunächst in der Anonymität operierende Bewegung gewann die Anerkennung der Bevölkerung, geriet aber mit der Thatcher-Regierung ins Hintertreffen.

    (4) TAZ: Tickende Zeitbomben scheiße geparkt. Verkehr für Volltrottel: taz.de/Die-Wahrheit/!5782529/

    (5) King Arthur Quellenangaben überspringen u. starten bei Min. 3:30 www.youtube.com/watch?v=V4uPkK8wjtY

    (6) Das Volk www.youtube.com/watch?v=YnU8kFqBdNs

    (6a) Das Steckenpferd reiten wurde deshalb auch nie Wettkampfart des „Upper Class Twit oft he Year“. www.youtube.com/watch?v=zGxSM5y7Pfs

  • Das Steckenpferd

    Der eine liebt Konkretes nur,



    der andre das Abstrakte,



    der dritte schwärmt für die Natur



    und deshalb für das Nackte.



    Der vierte mag nur Fleisch vom Schwein,



    der fünfte Milch und Eier,



    der sechste liebt den Moselwein,



    der siebte Fräulein Meier.



    Für jeden gibt es was von Wert,



    für das er lebt und streitet,



    und jeder hat sein Steckenpferd,



    auf dem er immer reitet.



    Heinz Erhardt

    Ich mag Kittihawk!



    Das Bild oben ist klasse. Die Steckenpferdköpfe sind in ihrer Abstufung klasse.



    Die Kinder sind supi. Mama ist vom Gesichtsausdruck ein Traum. Papa läuft schon blau an. Muttern, mich erschüttert hier nichts mehr.



    Ein kleiner Strich. Peng. Man muß es halt können.

    • @Ringelnatz1:

      Heinz Erhard ist Spitze,



      Kittihawk ist Spitze,



      Ringelnatz1 ist Spitze!

      Schönen Wochenstart

      • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

        Da schließe ich mich gern an!