Die Wahrheit: Lockprämien wider Lockdown!
Die deutsche Impfkampagne stockt endlich nicht mehr, seit die Bundesregierung jetzt äußerst attraktive Angebote macht.
Stolz führt Emma Becker den Gast ins Wohnzimmer, stellt sich fotogen vor die Schrankwand aus stolzem Eichenholz und weist auf die Sitzgruppe aus eitel Leder. „Das alles verdanke ich Corona!“, schmunzelt die 42-Jährige von einem Ohr bis zum anderen. Sie hat sichtlich von der gut gestrickten Impfkampagne des CDU-geführten Bundesministeriums für Gesundheit profitiert. Rechtzeitig vor der Bundestagswahl hat es die Coronaskeptiker mit üppigen Prämien an die kalte Spritze gelockt. Frau Becker hat sich wie viele andere eine der von der Regierung ausgelobten Belohnungen gesichert: eine komplette Wohnzimmereinrichtung.
„Nein, komplett ist sie nicht“, korrigiert Frau Becker und weist auf eine Leerstelle im Programm der Regierung hin. „Der Perserteppich fehlt noch. Aber ich will nicht meckern!“, ruft sie fröhlich aus und setzt darauf, dass im anrollenden Herbst und Winter eine dritte Impfung aufgetischt wird – „oder auch erst im nächsten Frühjahr, ich bin nicht kleinlich!“, grinst Frau Becker über das ganze Gesicht.
Sie erwartet, dass die Impfverweigerer dann erneut mit fetten Prämien an die Ampulle gelockt werden. „Lockprämien wider Lockdown!“, versucht Frau Becker, die mit ihrer guten Laune geradezu um sich wirft, ein Wortspiel. Sie überschlägt gewiss in ihrem Kopf, ob sie diesen herrlich blitzenden Einfall für massig Geld an die Regierung verkaufen oder vermieten soll.
Milliarden für die Quote
Fest steht wie eine Nadel: Seit die Bundesregierung die Impfkampagne 2.0 fährt, für die sie noch einmal richtige Milliarden aus dem Haushalt abschöpft, ist die Quote deutlich gestiegen und die gerade fürs deutsche Volk sprichwörtliche Herdenimmunität bald erreicht. Ein ungenannt bleiben wollender hoher Ministerialbeamter – Dr. Clemens Müller, einer der engsten Vertrauten von Jens Spahn – versichert sogar hinter der hohlen Hand, dass viele längst Geimpfte sich jetzt nochmals stechen lassen wollen, um vielleicht einen SUV, einen Kleingarten oder eine Luxuskreuzfahrt um den Globus herum zu angeln.
Wie viele Bürgerinnen und Bürger bereits die Behörden ausgetrickst haben, nachdem sie einfach ihren Impfausweis spurlos aufgegessen und den Coronanachweis auf ihrem Handywerkzeug verbrannt haben, weiß niemand. „Ist auch egal“, tuschelt ganz im erneuten Vertrauen Dr. Müller, „Hauptsache, die Leute machen bei der Bundestagswahl ihr Kreuz bei der einzigen CDU, die es gibt!“
Wie andere Länder hat also auch Deutschland die Spendierhosen weit geöffnet, um die impfmüden Bestandteile der Bevölkerung an die Spritze zu locken und der Pandemie endlich den Stecker zu ziehen. Als bis über die Ohren reiches Land kann sich Berlin dabei selbstverständlich mehr erlauben als andere. In Belarus, wo den Bürgern lediglich ein Lukaschenko-Porträt in die Hand gedrückt wird, oder in Moldawien, wo die Leute nur eine Box Hühnereier sowie das halbe Viertel einer hinteren Schweinehälfte erhalten, kann man von einer deutschen Wohnzimmerschrankwand jedenfalls nur Albträume kriegen.
Urlaub für Arbeitslose
Etwas großzügiger ist man in den weiter westlich sortierten Ländern. In Spanien darf jeder nach einer glücklich empfangenen Impfung zwei ganze Wochen Urlaub nehmen – der Haken: Die Regelung gilt für jeden, der arbeitslos gemeldet ist. Mehr verspricht da der Vatikan (Italien), der alle Gläubigen auf Gottes Erdball erstmals seit baren 500 Jahren mit einem Sündenerlass an die Spritze ruft und ihnen sogar einen Freiplatz irgendwo im Himmel verheißt – allerdings erst, wenn sie mausetot sind.
Regressansprüche sind hier wie in allen anderen Ländern dieser Welt ausgeschlossen, stehen aber allen frei. In Indien, wo jeder durchgeimpften Familie eine Kuh mit auf den Heimweg gegeben wird, hat es deshalb schon blutig dampfenden Rumor gegegen, wenn die Kuh keine Milch gab und sich als gefräßiger Bulle erwies. Die meisten Impfstationen konnten aber zügig wiederaufgebaut und ahnungsloses neues Personal angeheuert werden.
Es läuft eben nicht alles spurgenau. So verfielen in den USA mehrere Bundesstaaten auf ein Lotto, um für Eltern Stipendien an einer der eigentlich arschteuer schmeckenden Eliteuniversitäten für ihre Kinder auszuwerfen. Kritiker bemängelten, dass viele der jungen Gewinner nicht einmal die Highschool feinsäuberlich beendet haben – übersahen jedoch, dass es sich um Sportskanonen handelte, die denn auch von Harvard, Princeton, Stanford mit Kusshand genommen und durchgefüttert werden, Hauptsache, sie besuchen keine einzige Vorlesung.
So findet jeder Deckel seinen Topf – und niemand ist am Ende zufrieden. „Ich hätte auch gern noch eine Einbauküche bekommen“, merkt Frau Becker an und reibt sich die eigenen Hände: „Die Welt ist vollgestopft mit bösen Viren. Ich hoffe auf viele neue Pandemien!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos