Die Wahrheit: Frischgeduschter Iltis sucht Frau
Hätte Autor Hemingway im Spätkapitalismus gelebt, er würde sich vermutlich nie erschossen, sondern bis ins hohe Alter fröhlich weitergeduftet haben.
E rnest Hemingway soll mal gesagt haben, ein Mann müsse riechen wie ein Mann. Allerdings soll Hemingway selbst wie ein drei Tage zuvor erlegter Iltis gerochen haben, der in Tequila eingelegt wurde. Also wie ein Mann.
Ganz anders der moderne Mann von heute, gerade wenn er alt und weiß und reaktionär genug ist, mit seiner Heterosexualität insofern einverstanden zu sein, dass er, käme es hart auf hart und zum Schwur, verführerisches Vaginalsekret olfaktorisch jederzeit dem toxischen Gestank von Sper- oder Smegma vorziehen würde. Dieser Mann pflegt sich und sein schütteres Haupthaar. Auch unter den Achseln. Bisweilen sogar im Schritt. Zu diesem Zweck greift er zu Pflegeprodukten. Mit Badeshampoo kann er nichts anfangen, weil es nicht mehr einfach nur „Badeshampoo“ heißt, sondern wie Werbung für aktive Sterbehilfe in der Schweiz: „Gute Nacht Bad Traumzeit (entspannt & beruhigt), mit Lavendelduft und Vanille-Extrakt“. Nicht mit ihm! Der moderne Mann hat noch etwas vor! Er wird im Stehen sterben! Und sich im Stehen duschen, wie sich das gehört.
Die Mittel, die ihm dafür zu Gebote stehen, tragen entsprechend männliche Namen. Bisweilen lesen sie sich wie die größten Hits einer saarländischen Metal-Band aus den späten achtziger Jahren: „Wild“, „Energy“, „Wild Energy“, Strong Power“, „Dark Power“, „Strong Attack“. Das belebt, das elektrisiert, da hört man beim Einseifen schon die hammerharten Riffs!
Möglich, dass sich ein veganer Esoteriker für „Faith In Nature“ entscheidet. Aber das sind keine echten Männer, die würden auch zu „Banana Hair Fruit“, „Blütenkraft“ oder „Wahre Schätze“ greifen. Der intellektuelle Weichling verwandelt sich in einen „Happy Buddha“, bei mangelnder Reflexion seiner Privilegien betreibt er sogar kulturelle Aneignung: „Samurai Cool Hair“.
Echte Männer hingegen begreifen ihren Alltag als Expedition in die soziale Kälte. Ihre Wahl fällt deshalb auf arktisches Abenteuer und richtiges Risiko. Hier sind die Namen der Produkte wie das ferne Echo der letzten Gedanken, die einem Sir John Franklin oder Christopher McCandless kurz vor dem Erfrieren durch den Kopf geschossen sein mögen: „Alaska“, „Sea Breeze“ oder „Ice Chill“.
Noch echtere Männer reizt weniger die Eroberung des Polarkreises, mehr die der Frau. Schwer fällt die Entscheidung zwischen „Gold Temptation“, „Dark Temptation“, „Attractive“, „Seductive“ oder schlicht „Men Power“. Marken wie „Testosteron“, „Prostata“ oder „Pick up“ konnten sich bisher nicht durchsetzen.
Hätte Hemingway im Spätkapitalismus gelebt, er würde sich vermutlich nie erschossen, sondern bis ins hohe Alter fröhlich weitergeduftet haben wie eine soeben von frisch geduschten Demonstranten geplünderte Parfümerie in der hochsommerlichen Fußgängerzone.
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