Die Wahrheit: Das Leben in Zeiten von Corona
Schluss mit Jammern! Die große Seuche beschert uns allen wertvolle „quality time“ und macht aus Müttern noch bessere Mamas.
Hallo Mütter, ich bin es, euer Positive-Parenting-Mama-Online-Coach, mit vielen Tipps, Tricks, und Strategien, die ich euch geben kann – weil ich will, dass ihr irgendwann mal in der Zukunft so eine tolle Mama wie ich sein könnt! Aber vergesst nicht: Trotz meines Expertenwissens und meiner tiefen spirituellen Weisheit bin ich kein Guru. Ich aktiviere bloß euer parenting potential. Seid ihr bereit, auf eine Reise zu gehen, an deren Ende ihr nicht nur gute, sondern ganz, ganz tolle Mamas seid? Dann kommt mit!
Ich muss dafür aber leider über Corona sprechen. Und ich muss Klartext reden: Was ich persönlich nicht verstehen kann, wofür ich wirklich absolut null Verständnis habe, sind Mütter, die sich jetzt darüber beschweren, dass sie fünf Wochen lang zu Hause ihre Kindern bespaßen müssen. Ich habe nicht nur null, ich habe minus Tausendzweihundertmillionen Verständnis dafür! Was für eine negative, pessimistische Opfermentalität: Wenn es eine Sache gibt, die ich hasse, dann sind es negative Menschen.
Denn meine Einstellung zum Leben war immer: Wenn das Leber dir Zitronen gibt, mach Limonade draus! Und jetzt sage ich: Wenn das Leben dir Corona gibt, dann mach einfach hausgemachte Biolimonade draus! Es ist gar nicht so schwer, man braucht nur einen Zitronenbaum auf dem Balkon und ein bisschen Backpulver im Schrank.
Ich bin eine positive Person, und deswegen freue ich mich über Corona. Ich sehe dieses Virus als eine Chance für mich, aber auch für alle Mütter. Es befreit sie endlich von dem Druck, Geld verdienen zu müssen. Befreit sie von dem Druck, ihre armen Kinder in Fremdbetreuung zu schicken. Befreit sie von dem Druck, Mutterschaft mit Karriere vereinbaren zu müssen. Was für eine tolle Gelegenheit für die Mütter! Wer in diesem wunderbaren Geschenk nicht fünf Wochen kostbarer Mama-Zeit, sondern fünf Wochen Hausarrest sieht, der tut mir leid. Entschuldigung, Ladys, aber sobald die Krise vorbei ist, meldet euch bitte für einen Sterilisierungstermin an.
Yoga und Meditation
Ich freue mich. Ich genieße es. Ich lebe gerade mein perfektes Leben. Ich stehe früh auf, mache halbe Stunde Yoga und Meditation. Dann eine Stunde Homeoffice – denn Miete’s not gonna pay itself, lol! Da ich aber so gut in Yoga und Meditation bin, erreiche ich in einer Stunde Homeoffice so viel wie negative Loser in acht Stunden, das ist für mich echt ein blessing.
Wenn die Kinder aufwachen, essen wir gemeinsam Müsli auf dem Balkon mit Reis oder haltbarer Hafermilch – soooooo lecker. Nach dem Frühstuck putze ich die Küche, während die Kinder ihre independent play time genießen. Ich liebe eine saubere, gemütliche Umwelt für meine Kinder. Dann genießen wir alle gemeinsam zwanzig Minuten Mama-Kinder-Spielzeit. Dann waschen, duschen, anziehen – und sehr wichtig: self-care! Sogar in Coronazeiten muss das Gesicht moisturized werden, Mädels! Und selbstverständlich die Hände. I’m sure you’ll agree, wir brauchen das mehr denn je.
Nachdem wir gewaschen und angezogen sind, machen wir unseren Morgenkreis, dann muss alles erzählt werden: Story-Time auf Deutsch, story time auf Englisch und Story-Time in jeweils einer anderen Weltsprache. Ich lege mich hier gar nicht fest auf ein bestimmtes Zeitlimit, da ich möchte, dass die Kinder authentisch hineinwachsen in die Geschichten, die erzählt werden.
Und dann ist Project-Time! O my god: Project-Time ist meine Lieblingszeit. Stellt euch vor, Corona wäre nie passiert, da hätte ich so viel Schönes verpasst: Bastelaktiväten, Backen, naturwissenschaftliche Experimente! Oder Kunst! Denn Kunst ist immer gut.
Anschließend bereite ich ein gesundes, leckeres, billiges Mittagessen vor – in Zeiten von Corona müssen wir alle ein bisschen ans Geld denken. Beim Mittagessen fokussiere ich mich auf die Kinder, auf ihre spirituellen Bedürfnissen, ihre Persönlichkeiten, ihre Seelen – und nicht auf das Essen.
Dann gibt es einen kurzen Spaziergang durch den Park, denn es ist noch keine Ausgangssperre. Vorsichtshalber den Spielplatz meiden, und den Jüngsten zu überreden versuchen, nicht an der Straßenlaterne zu lecken oder sich einen Hund als Mütze anzuziehen.
Nach dem wunderbaren Spaziergang, schließlich nap time. Ich schaue noch einmal im Homeoffice vorbei und schaffe wieder so viel wie manche Leute in acht Stunden.
Reich durch Corona
Ehrlich gesagt, denke ich, dass ich reicher werde durch Corona, weil ich so konzentriert im Homeoffice sitze. Doch nach der Quiet-Time geht erst einmal unser mom’s life weiter: Es ist wieder Yoga-Zeit! Dann Kinderyoga mit YouTube. Dann Kindermeditation. Dann Kindergymnastik. Dann Kinderzumba. Dann Kinderballett. Dann Kinderkarate. Dann Kinderjudo.
Fuck, es ist immer noch nicht Abendbrotzeit! Kein Problem, jetzt lehre ich spielerisch und liebevoll Nummern und Buchstaben, bevor das Beste des ganzen Tages kommt: Wir arbeiten an unserem historischen Knet-Projekt! Mit hausgemachter Bio-Knete bauen wir gerade das Berliner Schloss nach! Danach bekommt jedes Kind zwanzig Minuten special mummy and me time, während die anderen Kinder independent play time genießen – und „genießen“ ist wahrlich das richtige Wort.
Jetzt schnell ein leckeres, gesundes und billiges Abendbrot vorbereiten. Wie gut, dass ich jetzt Zeit zum Backen habe. Danach bath time. Kostbare Momente, die mir so viel bedeuten, obwohl ich jetzt zugeben muss, dass die Kinder auch ohne Corona baden müssten.
Eine letzte Story-Time! Ich lasse die Kinder entscheiden, welche Geschichten sie hören wollen. Danach Bedtime-Yoga für Kids nach einem Tutorial auf YouTube. Und natürlich Bedtime-Meditation nach einem YouTube-Tutorial. Die Kinder schlafen! Aber mein Tag ist noch nicht vorbei.
Eine Stunde Putzen, eine Stunde Yoga, eine halbe Stunde Achtsamkeit (ich habe mir dafür extra dafür einen Vibrator gekauft), und dann gehe auch ich ins Bett. Bald werde ich mir ein Leben ohne Coronavirus gar nicht vorstellen können. Und ich hoffe, dass ihr mit meinen Tipps alle fast so gute Mamas werdet wie ich! Remember: When life gives you Corona, make home-made Biolimonade draus!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Verfassungsrechtler für AfD-Verbot
„Den Staat vor Unterminierung schützen“
Koalitionsvertrag in Brandenburg steht
Denkbar knappste Mehrheit