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Die WahrheitMerkel, quo vadis ante portas?

Kramp-Karrenbauer gibt auf. Und ein alter Leitartikler der Wahrheit kehrt zurück. Meinhard Rohr zur Lage der Nation im Spiegel seines Wissens.

Fegt gern als Putzfrau über die Bühnen der Politik: AKK Foto: dpa

Von 2001 bis 2007 kommentierte der große alte Mann des Leitartikels, Meinhard Rohr, für die Wahrheit das politische Weltgeschehen. Dann verabschiedeten wir ihn in den Ruhestand. Er ging in den Himalaja und wurde Buddhist. Aber sensationelle Ereignisse wie der Rückzug der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer verlangen nach einem erfahrenen, gewieften und cleveren Kommentator. Deshalb hat die Wahrheit im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte Meinhard Rohr zurückgeholt. Der Macher, Mahner und Maniac im Schatten der Macht kehrt zurück an Bord. Liebe Wahrheit-Leser, bitte schnallen Sie sich an.

Nie, niemals und zu keiner Zeit durchlebte die Nation schwerere Zeiten. Da sind die Linken, die Rechten und die in der politischen Mitte abgeriebenen Parteien, die das Land in der Zwingschraube der Demokratie zerquetschen. Jetzt hat eines der hohen Tiere Konsequenzen gezogen und will den Augiasstall in Berlin verlassen. Die Reinigungskosten aber bleiben wie immer beim kleinen Mann, der sich verwundert die Augen reibt angesichts der Schamlosigkeit auf dem Olymp der Parteienlandschaft. Wie sagte schon der erfahrene Weimaraner Goethe: „Wem die Küche zu heiß ist, soll die Toilette meiden.“

Annegret Kramp-Karrenbauer, die zu Recht nur in gekürzter Form allerorten auftrat, hat das mit ihrem Kampfnamen AKK gravierte Ruder in den Strom der Zeit geworfen. Und nun? Quo vadis? Darüber müssen wir Steuerzahler uns keine Sorgen machen. Die kleine Saarländerin wird nicht als Putzfrau enden, als die sie im Karneval gern über die Bühne fegt. Sie wird den Schröders, Gabriels und Adenauers folgen, die sich mit goldenem Handschlag ihren Ruhestand versilberten. Aber was kommt nach ihr?, fragen sich die Kisters, Jessens und Augsteins dieser Medienwelt in ihren durchkomponierten, ausgeklügelten und bedachten Leitartikeln.

Als wir noch 68er waren und ich leider zu den Linken gehörten, wusste ich die Antwort sofort. Und ich kann es auch heute allen, die wie ich den Karren am Ende des Tunnels aus dem Dreck des Lichts ziehen wollen, leise zuraunen: Jetzt kommt Merkel! Die Kanzlerin steht ante portas!

Maroder, müder und matter Laden

Die eigentlich auf dem Rückzug in den Weinberg befindliche Bundeskanzlerin wird, muss und kann als Einzige den maroden, müden und matten Laden CDU übernehmen. Sie wird sich so sicher wie das hundertprozentige Amen in der Kirche wieder hinter der Theke der Christdemokraten den weißen Kittel überstülpen und wie ein rundliches Schneeflöckchen unbefleckt ihre Klientel bedienen. Das hat sie von Putin, Orbán und Trump gelernt. Männern, Autokraten und Führern, die ihr stets einen schlaffen, aber hysterischen Händedruck vorwarfen und die sie nun als eiserne Kanzlerin einhegen, umgarnen und eindämmen will wie den Diadochen Merz, der ihr und ihrer Partei im Frühling blüht.

Nicht viele Journalisten, Autoren und Redakteure sind mutig. Besonders die Linke, zu denen ich vor langer, langer Zeit einmal in den siebziger Jahren gehörte, hat es verlernt, Flagge zu zeigen, das Schild herauszuhängen und sich zu positionieren. Ich allerdings wage die einzige breitbrüstige Frage zu stellen: Wer sieht die Merkel, hört die Merzen?

Längst ist die als „Mutti“ dauergeschmähte Chefin wieder die Siegerin im Ring, in den so mancher seinen harten Hut umsonst geworfen hat. Längst sind die Fragen verstummt, ob die Kanzlerin die Richtige im falschen Lager ist. Längst hat Merkel gelernt und wird bald, demnächst und zügig eine putineske Rochade durchführen, um für alle Ewigkeit im Amt zu bleiben. Der Ersatzzwerg Laschet, der durch die Köpfe mancher verwegener Feinde Merkels weht, ist kein Arminius, kein Cherusker, kein römischer Feldherr, der den Rubikon austrinkt, er ist nur ein kleiner Nordrhein-Westfale am Zipfel der Macht, bedeckt vom feuchten Mantel der Geschichte.

So wie ich in meiner großen Zeit der Einzige war, der mit dem simplen Stilmittel der rhetorischen Trias alles dreimal, dreimal, dreimal sagte, um Gehör zu finden, gehört zu werden und ein Ohr am Zahn der Zeit zu haben, so wird Angela Merkel die Einzige sein, die den Everest der Verwirrungen erklimmen und ein Machtwort sprechen wird. Wie sagte einst ihr großer Verwandter, der Philosoph Max Merkel? „Was zählt, ist auf dem Gipfel.“ In diesem Sinn, Ziel und Zweck, wünsche ich Ihnen wirkmächtige politische Tage. Liebe Wahrheit-Leser, denken Sie einmal darüber nach.

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2 Kommentare

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  • Stimmt schon. Cui bono - 🎭 -

    “ „Mehr Schlaf“, möchte man da mit Goethes Worten der politischen Klasse zurufen. Auch und gerade den Politikern könnte heute der Schlaf als das beste aller Hilfsmittel hilfreich helfen. Diese Kolumne erscheint in loser, aber leider häufiger Folge.“

    kurz - Den Everest der Verwirrungen erklimmen & „Was zählt, ist auf dem Gipfel.“



    Schonn. But. Merkel dir - Zuviel Höhenluft tut selten gut. Reinhold kann‘s - erMessner‘n.



    Denn schon bei dem fragen sich ja bekanntlich die Yetis “Gibt’s den wirklich?“ - 😱 -

    unterm—— servíce



    taz.de/!746515/?goMobile2=1578528000000

  • Volle Zustimmung! Dann hat Deutschland fertig.