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Die WahrheitDie Bahn ist das Ziel

Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit: Die Leserschaft darf sich an einem Poem über ein bekanntes Transportunternehmen erfreuen.

Foto: Johannes Eisele/Reuters

Wenn du das Stehn im Stau verfluchst

und echte Abenteuer suchst,

hier die Idee: der ICE!

Buch bei der Deutschen Bahn AG.

Denn völlig anders als im Stau

ist hier der Weg das Ziel. Genau:

Der Weg beginnt am Bahnsteig gleich

recht spannend und facettenreich.

Da ist die Lautsprecherdurchsage,

und dann die interessierte Frage

von einer Dame an der Seite:

„Wie viel Verspätung hat der heute?“

Und unversehens bist du schon

in trauter Konversation

mit einer wunderschönen Frau.

Sei ehrlich, hast du das im Stau?

Dann sitzt du bald im Großraumwagen.

Ja, es kommt vor an manchen Tagen,

dass man es nur im Mantel aushält,

wenn im Abteil die Heizung ausfällt.

Kommt vor, dass mal im Klo kein Licht ist

und dass der Speisewagen dicht ist.

Na und? Du, das erhöht doch prompt

die Spannung, was da noch so kommt.

Vielleicht steht gleich der Zug im Gleis

in schöner Landschaft, und wer weiß,

ob du den Anschluss nicht verpasst.

Genieß dann diese nette Rast.

Denn jeder Bahnhofsautomat

hält reichlich Köstlichkeit parat.

Auch lohnt es sich in jedem Falle,

die Konstruktion der Bahnhofshalle

sich anzuschaun, ganz ohne Eile.

Dein Anschluss braucht ja noch ’ne Weile.

Kann sein, er kommt heut gar nicht mehr:

ein Triebwerksschaden. Bitte sehr,

so lernst du unerwartet schnell

die Stadt noch kennen plus Hotel.

Sag selbst, ist eine solche Reise

nicht spannender als beispielsweise

das stundenlange Stehn im Stau?

Genau!

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4 Kommentare

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  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    Das Eisenbahngleichnis(1931)

    Wir sitzen alle im gleichen Zug



    und reisen quer durch die Zeit.



    Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.



    Wir fahren alle im gleichen Zug



    und keiner weiß, wie weit.

    Ein Nachbar schläft; ein andrer klagt;



    ein dritter redet viel.



    Stationen werden angesagt.



    Der Zug, der durch die Jahre jagt,



    kommt niemals an sein Ziel.

    Wir packen aus, wir packen ein.



    Wir finden keinen Sinn.



    Wo werden wir wohl morgen sein?



    Der Schaffner schaut zur Tür herein



    und lächelt vor sich hin.

    Auch er weiß nicht, wohin er will.



    Er schweigt und geht hinaus.



    Da heult die Zugsirene schrill!



    Der Zug fährt langsam und hält still.



    Die Toten steigen aus.

    Ein Kind steigt aus, die Mutter schreit



    Die Toten stehen stumm



    am Bahnsteig der Vergangenheit.



    Der Zug fährt weiter, er jagt durch die Zeit,



    und keiner weiß, warum.

    Die erste Klasse ist fast leer.



    Ein feister Herr sitzt stolz



    im roten Plüsch und atmet schwer.



    Er ist allein und spürt das sehr



    Die Mehrheit sitzt auf Holz

    Wir reisen alle im gleichen Zug



    zur Gegenwart in spe.



    Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.



    Wir sitzen alle im gleichen Zug



    und viele im falschen Coupé.

    Erich Kästner

    • @05158 (Profil gelöscht):

      Liggers. Das hat der Erich fein gesagt.



      Doch sei auch dieses hier beklagt.

      Ringelnatz, Joachim (1883-1934)

      Arm Kräutchen

      Ein Sauerampfer auf dem Damm



      Stand zwischen Bahngeleisen,



      Machte vor jedem D-Zug stramm,



      Sah viele Menschen reisen.

      Und stand verstaubt und schluckte Qualm



      Schwindsüchtig und verloren,



      Ein armes Kraut, ein schwacher Halm,



      Mit Augen, Herz und Ohren.

      Sah Züge schwinden, Züge nahn.



      Der arme Sauerampfer



      Sah Eisenbahn um Eisenbahn,



      Sah niemals einen Dampfer.

      kurz - & Wenn ich das richtig seh.



      Noch viel viel wenjer unterm - ICE.

      • 0G
        05158 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Wunderbar diese Adaption.



        Ein Tränchen(der Freude) rinnt!

        (Das ist das Gute für sie, pfeif auf irgendwelche Zeichenzahlen)



        ;-)

      • @Lowandorder:

        &Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - die Liebe

        ” Ich sah in kommen, diesen Zug



        Ja, Ringelnatz, der war so klug...







        Kürzeste Liebe







        Blöde Bauern, die den biedern



        Gruß der Bürger nicht erwidern,



        Menschen, die mit halbem Nicken



        Danken, ohne aufzublicken,



        Prüde, scheue Frauen, leise



        Kinder, würdevolle Greise --







        Aber wenn an Dorf und Feld und



        Wald vorbei dein Schnellzug braust,



        Du aus deinem Wagen schaust:







        Ja, dann stehen - stehn auch dies



        Ganz Dir zugewandt am Hange,



        Vor dem Stalltor, auf der Wiese -,



        Und sie winken. Winken lange.







        Grüßen voll und grüßen frei



        Dich und Deine Fahrtgenossen.







        Und die reinste Liebe wird vergossen



        Im Vorbei.“

        kurzfrank&frei - Ja - so isses - du 🥚