Die Wahrheit: Vier Elche für ein Hallelujah
Die Norwegen-Woche der Wahrheit: Iren hauen keine Norweger, selbst wenn Gallonen von Alkohol geflossen sind. Der Grund dafür ist einfach.
Respekt“, meint Cahill anerkennend. „Die trinken fast so zügig wie Iren.“ Am Nachbartisch im Doyle’s, einem Wirtshaus im Norden Dublins, haben vier große blonde Männer kurz vor dem Zapfenstreich zwölf große Biere vor sich aufgereiht. „Skål“, ruft der Blondeste von ihnen und bestellt noch eine Runde.
Norweger seien von Hause aus schüchtern, erklärt Cahill, der vor ein paar Jahren Urlaub in Norwegen gemacht hat und sich auskennt. „Erst wenn sie Unmengen von Alkohol getrunken haben, sind sie in der Lage, soziale Kontakte zu knüpfen.“ Schließlich haben sie seit fast zwei Jahrtausenden Erfahrung damit. Warum sollen sie also mit dieser Tradition brechen?
Ein US-Amerikaner, den es vor einigen Jahren nach Norwegen verschlagen hat, warnte seine Landsleute in seinem Blog jedoch, dass Norwegen die höchsten Preise für Alkohol und Zigaretten in Europa habe. Deshalb fahre er immer nach Schweden, um sich mit Nachschub zu versorgen. Dafür seien aber gefrorene Lachsfilets erstaunlich preiswert. Die kann man aber weder rauchen noch trinken.
Die Norweger stecken in einer Identitätskrise, meint Cahill. Vier Jahrhunderte waren sie unter dänischer und schwedischer Herrschaft, sie werden von den ehemaligen Okkupanten bis heute nicht ernst genommen. „Die Schweden behaupten, Norweger nehmen ein Stück zusammengerolltes Sandpapier mit in die Wüste“, sagt Cahill. „Sie halten das für eine Landkarte.“
Von Brunwest nach brunost
Um als Ausländer eine Familieinnvandringsoppholdstillatelse – das ist eine Aufenthaltserlaubnis für Familien – zu erhalten, muss man Norwegisch lernen. „Das ist nicht einfach, denn viele Wörter klingen identisch“, meint Cahill. Lediglich durch ein kurzes Schluchzen mitten im Wort werde die Bedeutung manchmal ins Gegenteil verkehrt, und wenn man einem Norweger eine interessante Geschichte erzähle, bekunde er durch ein asthmatisches Röcheln sein Interesse.
Nun unternimmt Cahill den Versuch einer Unterhaltung mit den Norwegern, aber er geht die Sache falsch an. Wie es sich in ständiger Dunkelheit bei Eiseskälte denn so lebe, fragt er den Blondesten. „Å være født bak en brunost“, konstatiert der Mann namens Nils und liefert gleich die Übersetzung: Cahill sei hinter einem braunen Käse geboren, was bedeutet, dass er strohdumm sei.
Cahill entgegnet, er werde davon absehen, Nils zu vermöbeln, weil er ein Verwandter sein könne. „Ihr Wikinger seid im achten Jahrhundert in Irland eingefallen und habt gebrandschatzt und vergewaltigt“, sagt er. „Gut möglich, dass meine Vorfahrin eins der Opfer war.“ Es gebe einen weiteren Grund, warum er Nils nicht zu einem Faustkampf herausfordere, meint Cahill: Wenn Nils ablehne, müsse er laut norwegischer Rechtsprechung als Strafe vier Elche zahlen. „Ich lebe in einer Zweizimmerwohnung“, meint Cahill. „Da kann ich mit Elchen nichts anfangen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid